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Die Knoblauchrevolte

Die Knoblauchrevolte

Titel: Die Knoblauchrevolte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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»Du bist vielleicht eine Type.«
    Der Sicherheitschef kam zur Tür herein. Die Milizsoldaten zeigten ihm die Flasche und erklärten, was darin war. Der Sicherheitschef mußte auch lachen.
    »Trink das«, sagte er zu Gao Yang.
    »Direktor, ich hatte Angst, die Männer aufzuwecken, deshalb … ich bring es weg …« Verzweifelt versuchte Gao Yang, sich herauszuwinden.
    »Nicht nötig. Männerurin hat die Wirkung, Hitze abzuleiten und Gift zu lösen. Also trink.« Der Sicherheitschef grinste über das ganze Gesicht.
    Gao Yang kam plötzlich ein sonderbar erheiternder Gedanke.
    »Großonkel«, sagte er, »das ist tatsächlich hochwertiger Traubenwein.«
    Der Sicherheitschef und die Milizsoldaten blickten sich an und lächelten.
    »So«, sagte der Sicherheitschef, »das ist hochwertiger Traubenwein. Na, dann trink.«
    Gao Yang ergriff die Weinflasche, legte den Kopf zurück und ließ einen Schluck durch seine Kehle rinnen. Der Urin war noch warm. Abgesehen von einem leicht beißenden Salzgeschmack, schmeckte er gar nicht so übel. Er trank gurgelnd weiter und leerte in einem Zug die halbe Flasche. Tränen quollen ihm aus den Augen. Er wischte sich den Mund ab und sagte lächelnd zu sich selbst: Gao Yang, Gao Yang, du Schweinehund, was hast du für ein Glück. Erst ißt du einen Porreepfannkuchen, dann trinkst du guten Traubenwein. Ist das nicht ein großes Glück?
    In einem Zug trank er die Weinflasche vollends aus. Dann warf er sich mit dem Gesicht nach unten auf den Fußboden und weinte laut.
    Später kam der Parteisekretär herein, um ihm mitzuteilen, daß das Hochwasser des Sand-Flusses den Verkehr zum Erliegen gebracht hatte. Man könne daher die Leiche seiner Mutter, selbst wenn man sie ausgrübe, gar nicht ins Krematorium schaffen. Deshalb bekam Gao Yang eine Geldstrafe von zweihundert Yüan und wurde wieder freigelassen.
    Als er auf der verschlammten Straße nach Hause zurückkehrte – es war immer noch früh am Morgen –, ging ein Platzregen nieder, und die Wassermassen, die auf seine Kopfhaut trommelten, fühlten sich herrlich an. »Mutter, liebe Mutter«, sprach er zu sich selbst, »zu deinen Lebzeiten hat dein Sohn dir nicht genug Respekt erwiesen. Jetzt habe ich einen Platz für dich gefunden, wo du in Frieden ruhen kannst. Ich habe verhindert, daß du verbrannt wirst. Du bist jetzt besser gestellt als die armen Kleinbauern. Dein Sohn mußte zwar Scheiße essen und Pisse trinken, aber in mir ist eine große Freude.«
    Als er in seinen Hof eintrat, sah er, daß sich das Strohdach über den drei Zimmern seines Hauses langsam zu senken begann. Wasser und Schlamm spritzten hoch auf, als es plötzlich unter gewaltigem Getöse einstürzte und der Akazienwald und das reißende Wasser des Flusses hinter seinem Haus sichtbar wurden.
    »Mutter!« schrie er und fiel im schlammigen Wasser seines Hofs auf die Knie.
2
    Gegen Morgen mußte er eingeschlafen sein. Als er erwachte, fühlte er sich am ganzen Körper wie zerschlagen. Aus seinen Nasenlöchern und seinem Mund schien Feuer zu lodern, dessen Hitze ihm Lippen und Nase versengte. Er zitterte heftig, so heftig, daß sein Eisenbett klapperte. Weshalb zittert ein Mensch? Ja, woher kam dieses Zittern? Ein paar rosige kleine Mädchen liefen oder hüpften singend und kreischend über die Zimmerdecke.
    Ihre Körper waren so dünn, daß der hin und her fegende Wind sie hierhin und dahin bog. Ein Mädchen mit nacktem Oberkörper und einem Bambusstab in der Hand stand ganz allein am Rand der Gruppe. Überrascht rief Gao Yang: »Ist das nicht Xinghua? Xinghua, komm schnell zu mir, wenn du herunterfällst, brichst du dir das Genick.«
    »Vater«, antwortete Xinghua, »ich kann nicht herunterkommen.«
    Sie begann zu weinen. Große, durchsichtige Tränen rannen ihr über die Haare, blieben aber an deren Spitzen hängen, ohne herunterzufallen.
    Ein neuerlicher Windstoß fegte alle kleinen Mädchen weg. Eine weißhaarige alte Frau kam einen schlammigen Weg entlanggestolpert. Sie hatte eine löchrige Decke umgehängt und nur einen Schuh an. In ihrem Gesicht und an ihrem Körper klebte eine dicke Schlammschicht.
    »Mutter«, rief er laut, »Mutter, ich dachte, du bist schon lange gestorben, aber du bist gar nicht tot.«
    Er stürzte auf sie zu und spürte, daß sein Körper an Gewicht verlor, wie er es ähnlich bei den dünnen kleinen Mädchen gesehen hatte. Der Wind schüttelte ihn, und sein Körper dehnte sich um ein Mehrfaches seiner ursprünglichen Länge. Er mußte sich mit

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