Die Knochen der Goetter
uns hinsetzen und weiterforschen, kommen wir bestimmt irgendwann auf das richtige Wort oder den richtigen Gedanken«, antwortete Filine.
»Genau«, bestätigte Rufus Filines Worte. »Wir müssen bei der Sache bleiben. Dann klappt es bestimmt.«
No seufzte. »Okay, ihr habt mich überzeugt. Sieht ganz so aus, als müsste ich hier doch noch zum Bücherwurm mutieren.«
Nachdem Lucy und Ottmar wieder gegangen waren, setzten sich die drei Lehrlinge rund um einen der großen Lesetische und machten sich daran, Bücher über Ägypten zu studieren.
Nach einer Weile stellte Rufus fest, dass das intensive Lesen ihm wirklich Spaß machte. Es hatte zwar mindestens eine halbe Stunde gedauert, bis er sich dem ruhigen Fluss der Wörter wirklich hingeben konnte, aber dann war es einfach schön. Es war eigentlich genauso schön, wie durch das Museum zu wandern oder zu zeichnen.
Auch No und Filine lasen aufmerksam.
No beschäftigte sich mit ägyptischen Handwerkskünsten und Erfindungen und Filine hatte sich mehrere Bücher über die Rituale und Paläste der Pharaonen besorgt.
Auf diese Weise verging der Tag. Mittags brachten ihnen Ottmar und Lucy wieder etwas zu essen. Und dasselbe geschah am Abend. Nur die Flut zeigte sich nicht. Genauso wenig wie Coralia, die den ganzen Tag zwischen den Regalen verschwunden blieb.
Erst als es Zeit war, ins Bett zu gehen, kam sie hervor.
»Ich schlafe wieder in der Kammer«, erklärte sie. »Ich muss in Ruhe nachdenken.« Sie nahm sich ihr Abendbrot, das noch auf dem Tisch stand, mit und zog sich zurück.
Kurz darauf kam Meisterin Iggle von der Leiter gestiegen.
»Wo ist eigentlich Minster?«, erkundigte sich Rufus. »Ich habe sie den ganzen Tag nicht gesehen.«
»Sie sucht Bücher«, erklärte die Magistra Bibliothecaria. »Einige sind unter die Regale gefallen oder hinter andere Bücher gerutscht und sie kümmert sich darum.«
Meisterin Iggle nickte Rufus, Filine und No kurz zu und ging in ihr Zimmer. No gähnte und schlug einen Band über Zisternen und gemauerte Wasserleitungen zu.
»Mann, bin ich müde. Auch wenn das Lesen nicht so öde war, wie ich dachte. Ich hab sogar ziemlich starke Sachen rausgefunden. Aber jetzt muss ich pennen.«
Mit leicht glasigen Augen ging No in den Toilettenraum der Bibliothek und wusch sich am Waschbecken.
Danach fiel er ohne ein weiteres Wort auf sein Feldbett.
»Ich gehe auch schlafen«, erklärte Rufus.
Filine, die immer noch las, nickte. Dann schlug sie plötzlich ihr Buch zu.
»Was hast du gelesen?«, fragte sie Rufus.
»Was über Bienenwachs«, antwortete er, während er ebenfalls zum Toilettenraum ging. »Das wurde im alten Ägypten schon sehr vielfältig benutzt. Zum Beispiel zur Mumifizierung, aber auch um damit Holzschiffe abzudichten. Und sogar zum Malen. Es gab damals eine Art Wachsmalerei, bei der man verschieden gefärbtes Wachs als Farbe benutzt. Davor wurde es mehrere Tage in der Sonne und im Mondlicht gebleicht. Das Bleichen war eine heilige Handlung und bedeutete eine Verbindung mit dem Sonnengott und dem Mondgott. Bis heute weiß kein Mensch, wie man dieses original ägyptische Wachs hergestellt hat. Man nennt es Punisches Wachs. Damit würde ich gerne mal malen.«
Rufus verschwand in der Toilette und kam wenig später zurück. Er legte sich auf sein Bett.
»Die Biene war in Ägypten die Königshieroglyphe«, sagte Filine plötzlich. Sie stand vom Lesetisch auf und kroch ebenfalls unter ihre Decke. »Vielleicht ist ja die Katze von Nauri aus diesem Wachs«, sagte Rufus leise.
»Vielleicht«, murmelte Filine. Sie schloss die Augen.
Neben ihr tat Rufus das Gleiche.
Wenig später schliefen alle drei friedlich auf ihren Feldbetten.
Filine spürte es, ehe sie es sah. Hinter ihr wurde es plötzlich warm. Eine Wärme, wie unter der Mittagssonne in Ägypten. Sie drehte sich um. Doch diesmal kam sie nicht von der Sonne.
Vor ihr stand Nauri. Der Junge zeichnete sich dunkel ab gegen ein kräftiges Feuer, das in einer Ecke der Werkstatt seines Vaters loderte. Es war tiefe Nacht.
»Bist du sicher, dass du mir keine Märchen erzählt hast?«, fragte Suleiman seinen Sohn.
»Vater, er hat gesagt, ich solle dir seinen Besuch ankündigen, wenn die Nacht am tiefsten ist.«
Der große Nubier legte dem Jungen seine Hand auf die Schulter und sah ihm streng in die Augen.
»Es ist wahr«, wiederholte Nauri. »Er hat mich deswegen früher von der Arbeit weggeschickt. Mir war eine Katze entkommen, die ich vertreiben sollte, sie war zu
Weitere Kostenlose Bücher