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Die Knochenfrau

Die Knochenfrau

Titel: Die Knochenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Susami
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angerührt. Trotzdem waren es genau die Geräusche von Lutz. Und einige Wochen später hörten wir dann immer wieder Schritte auf dem Dach. Als würde jemand oben auf dem Dach herumlaufen. Ab und zu gab es auch ein lautes Klopfen an der Haustür, aber das war sehr selten. All das waren ja nur Geräusche, nur Einbildungen. Oder wie soll ich sagen, eben keine Einbildung. Also ich und meine Frau haben das wirklich gehört aber die Nachbarn nie. Die hielten uns schon für verrückt, als wir sie immer wieder gefragt haben, ob sie denn nicht das Bellen mitbekommen haben.
    Und diese Geräusche kamen immer wieder, im Abstand von Wochen oder auch nur Tagen. Manchmal auch mehrere Tage hintereinander. Erst gestern hatten wir wieder die Schritte auf dem Dach. Meine Frau lässt sich nichts anmerken, aber ich glaube, sie leidet sehr darunter.
    Später dann, das war schon um die Jahrtausendwende, hörten wir immer wieder ein Kinderlachen. Als ob sich Kinder draußen vor unserer Tür unterhalten würden und als ob sie immer wieder lachen würden. Genau wie damals, als Anna noch lebte und die Nachbarskinder zum Spielen kamen. Und dann fing auch das mit den Steinen an. Erst hört man die Kinder und dann ist es, als ob sie kleine Steine gegen die Fenster werfen. Es gab schon Abende, da war das so schlimm, dass wir laut den Fernseher aufdrehen mussten. Da hörte man zuerst Schritte auf dem Dach und dann die Kinder und den Hund und schließlich stundenlang diese Geräusche, als ob Steine gegen die Fenster fliegen. Aber am nächsten Morgen liegen nie Steine herum und es gibt auch keine Spuren im Garten. Es ist, als wäre das alles nur in unserem Kopf. Ich habe auch schon versucht, die Geräusche auf Tonband aufzunehmen aber es geht nicht. Auf dem Band ist nie etwas zu hören. Und manchmal hören Wilma und ich auch unterschiedliche Sachen, das ist wirklich sehr merkwürdig.
     
    Lukas nahm sich das nächste Blatt Papier. Obwohl es nur drei waren, hatte Herr Schneider die Blätter durchnummeriert.
     
    Das alles ist sehr anstrengend für uns und Wilma weint viel. Ich glaube auch, dass ihr Schlaganfall damit zusammenhängt. Das war einfach irgendwann zu viel für sie. Aber wir machen trotzdem weiter. Alle zwei Wochen trage ich die Schale mit dem Blut in den Wald und am nächsten Morgen ist das Blut meistens ganz schwarz und verklumpt. Es ist jetzt viele Jahre her, dass ein Kind ums Leben kam. Wir glauben aber, dass dieses Wesen, das da draußen ist, wieder morden will. Das Blut hält es aber davon ab. In dem alten Buch stand ja nicht, dass die dürre Frau das Blut will. Da stand, dass sie durch das Blut gebannt wird. Und möglicherweise dient dieser Terror, dem wir immer wieder ausgesetzt sind, dazu, uns zu zermürben. Sie will, dass wir aufhören, dass wir von hier wegziehen und dass sie wieder morden kann. Aber wir machen weiter, solange es die Kräfte zulassen. Es ist natürlich sehr viel für mich, jetzt da meine Frau bettlägerig ist. Zum Glück ist ihr Verstand klar. Sie versteht alles, was ich ihr sage. Das ist das Schlimmste, wenn man den Verstand verliert. Wir können uns auch unterhalten, es dauert natürlich nur sehr lange.
    Leider kann ich dir nichts Konkreteres zu diesem Wesen sagen, das in dem alten Buch als Knochenfrau und als dürre Frau bezeichnet wurde. Wir wissen nicht viel mehr als du. Ich habe auch nirgends dieses Buch gefunden, das mir dieser alte Mann damals gezeigt hat. Und mittlerweile habe ich es auch aufgegeben, mich mit anderen über dieses Wesen auszutauschen. Hier im Dorf hält man uns sowieso für verschroben, wir haben nicht mehr viel Kontakt. Ich habe einmal bei diesem Institut für Parapsychologie in Freiburg angerufen aber ich hatte den Eindruck, die haben sich mehr für meinen eigenen seelischen Zustand als für die Geschichte von der dürren Frau interessiert. Wahrscheinlich dachten sie, dass ein alter Mann, der sein einziges Kind verloren hat und der jetzt seine bettlägerige Frau pflegt, irgendwann automatisch verrückt wird.
    Trotz dieser schlechten Erfahrung habe ich später noch mit einem Heimatforscher aus Stuttgart Kontakt aufgenommen, einem Professor an der Universität. Der hat mir erklärt, dass es in ganz verschiedenen Gegenden auf der Welt Geschichten von Wesen gibt, die Kinder entführen oder töten. Aber auch der wollte nichts davon wissen, dass es so ein Wesen wirklich gibt, das waren alles nur Geschichten für ihn. Als ich ihm gesagt habe, dass wir immer die Schale mit dem Blut in den Wald

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