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Die Knochenfrau

Die Knochenfrau

Titel: Die Knochenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Susami
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früher haben die Menschen in dieser Gegend ja Hunger gelitten. Das war ja eine sehr arme Region hier.
    Dieser alte Bauer war überzeugt davon, dass es diese dürre Frau wirklich gibt. Er hat uns auch einen alten Zeitungsartikel aus den 20er Jahren gezeigt. Darin war die Rede davon, dass in der Gegend um Rothenbach immer wieder Kinder verschwinden. Einige wurden dann verstümmelt gefunden. Manche tauchten nie wieder auf. Zwischen 1889 und 1925 sollen es fünf Kinder gewesen sein. Meine eigenen Nachforschungen haben ergeben, dass auch 1937, 1946 und 1954 Kinder verschwanden, allerdings nicht nur in Rothenbach, auch in den umliegenden Dörfern. Und 1967 wurde dann unsere kleine Anna umgebracht. Für eine Gegend wie Rothenbach und die umliegenden Dörfer ist es sehr ungewöhnlich, dass alle sieben bis zehn Jahre ein Kind verschwindet oder umgebracht wird. Das kann nicht Zufall sein! In einer größeren Stadt wäre das vielleicht normal, aber doch nicht hier.
    Wilma und ich waren spätestens nach dem, was deinem Bruder passiert ist, davon überzeugt, dass es die dürre Frau gibt, oder zumindest ein Wesen, das dieser dürren Frau entspricht. Und wir wenden uns an dich, weil wir wissen, dass auch du an dieses Wesen glaubst. Dein Bruder hat dir ja von der dürren Frau erzählt, er hat ja auch ein Tier gesehen, dem er dann nachgegangen ist. Und außerdem gab es da ja noch deinen Klassenkameraden, dem etwas passiert ist. Du erinnerst dich sicherlich an ihn. Er hat ja überlebt, war aber wohl sehr verängstigt
     
    Er war nicht nur verängstigt. Peter war ein Fall für die Psychiatrie. Ob er mittlerweile wieder sprach? Lukas legte das Blatt Papier weg und nahm sich das zweite.
     
    Wir selbst haben die dürre Frau nie gesehen. Wir haben aber einige Dinge erlebt, die ich dir nun berichten werde.
    In dem Buch, das uns dieser alte Bauer gezeigt hat, stand auch, dass diese Knochenfrau ein Wesen ist, das sich bändigen lässt. Man muss ihr regelmäßig ein Opfer bringen, dann holt sie keine Kinder mehr. Dem Buch zufolge verlangt dieses Wesen Menschenblut. Man soll es ihr zweimal im Monat bringen, so stand es in dem Buch.
    Nachdem das mit deinem Bruder und deinem Schulfreund passiert war, da waren wir uns endgültig sicher, dass es dieses Wesen gibt. Wilma und ich haben uns dann zweimal im Monat gegenseitig Blut abgenommen und es in den Wald gebracht. Wir haben immer eine Schale mit einem halben Liter Blut auf einen Baumstumpf gestellt, etwa einen Kilometer in den Wald hinein. Vielleicht weißt du ja, wo das ist. Das ist der kleine Weg, der hinter unserem Garten in den Wald führt und der fast zugewachsen war. Dort muss dein Bruder in den Wald gegangen sein. Und dort in der Nähe hat man auch unsere tote Anna gefunden.
    Wir haben also Mitte der Achtziger Jahre angefangen, die Schale mit Blut in den Wald zu tragen. Und ich erinnere mich noch gut an das erste Mal. Ich habe abends die Schale hingestellt und hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass mich etwas beobachtet. Und am nächsten Morgen habe ich die Schale abgeholt und das Blut war ganz schwarz. Es war wie ein zähflüssiger, schwarzer Klumpen. Es hatte auch einen sehr unangenehmen Geruch. Einige Male habe ich eine ganze Nacht gewartet, um vielleicht zu sehen, ob da etwas war. Aber gesehen habe ich nie etwas und auch das Blut war dann zwar geronnen, nicht aber so ein schwarzer Klumpen wie sonst. Sonst, also wenn ich wieder nach Hause ging und erst am nächsten Tag wiederkam, war das Blut fast immer schwarz und zäh, in ungefähr sieben von zehn Fällen.
    Wie gesagt: Wir haben die dürre Frau ja nie gesehen. Aber dass das Blut so verändert war, das spricht doch dafür, dass da etwas ist, das an die Schale geht. Mittlerweile bringen wir schon seit über zwanzig Jahren das Blut in den Wald und in dieser Zeit ist auch nichts mehr passiert. Es kam kein Kind mehr ums Leben, sonst war das ja etwa alle zehn Jahre. Vielleicht spricht das ja dafür, dass unser Tun tatsächlich eine Wirkung hat.
    Etwas anderes ist auch noch wichtig: Vor etwa elf Jahren, Mitte der Neunziger Jahre, fing das mit den Geräuschen an. Damals ist unser Hund Lutz gestorben, den hast du ja noch gekannt. Wir haben ihn bei uns hinter dem Haus begraben aber einige Wochen nach seinem Tod haben wie ihn wieder gehört. Er hat draußen gebellt und an der Tür gekratzt, meistens abends oder nachts. Es hörte sich genau wie Lutz an. Als wir dann gesucht haben, da war aber nichts. Auch sein Grab war überhaupt nicht

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