Die Knochenkammer
Denzig fiel wegen ihrer kurzen Beine und ihrem Übergewicht zurück. Ich drehte mich noch einmal um, weil ich wissen wollte, ob sie die Waffe bei sich hatte, die sie aus dem Haus ihres Vaters gestohlen hatte.
Als ich die Rampe zur Tiefgarage hinunter rannte, konnte ich an der Seite den Garagenwächter stehen sehen, der die Hand auf dem Knopf hatte, um das schwere Metallgitter herabzulassen.
»Jetzt, Jorge!«, rief ich ihm zu. »Mach das Tor zu!«
Ich sprintete die letzten sechs Meter, duckte mich unter den elektrisch gesteuerten Krallen der Sicherheitsvorrichtung hindurch und rollte mich auf dem ölbefleckten Garagenboden ab.
Shirley Denzig rempelte mit ihrem ganzen Gewicht gegen das Tor. Es hallte dumpf, als sie immer wieder mit den Füßen gegen das Metall schlug.
Jorge half mir auf die Beine, und ich rannte in sein Büro und riss Renee den Hörer aus der Hand, um dem Notrufvermittler zu erklären, was er der Polizei sagen sollte.
Wenige Minuten später hörten wir Sirenen näher kommen. Denzigs frenetisches Hämmern hatte aufgehört. Sie war wieder einmal in die Nacht verschwunden.
Jorge war unnachgiebig. Er hatte Angst und weigerte sich, der Polizei die Garagentür zu öffnen, weil er nicht sehen konnte, wer es war, und nicht wusste, vor wem oder was ich davongelaufen war. Die Polizisten gaben schließlich auf und kamen über den Eingang von der Lobby nach unten in die Tiefgarage.
»Könnte einer von Ihnen meine Freundin in ihre Wohnung hinaufbringen?«
»Machst du Witze? Du denkst doch nicht etwa, dass wir dich jetzt allein lassen?«, sagte Renee. »Außerdem würde ich gerne wissen, was die ganze Aufregung zu bedeuten hatte.«
Ich brauchte zehn Minuten, um den Polizisten die Sache mit Shirley Denzig zu erklären, die daraufhin ihre Beschreibung an alle Streifenwagen in der Umgebung durchgaben. Sie brachten uns nach oben, und wir verabredeten, uns am nächsten Morgen um Viertel vor acht in der Lobby zu treffen, damit ich sicher aus der Garage kam, um Clem abzuholen und in mein Büro zu fahren.
Ich ignorierte das Blinken meines Anrufbeantworters und ging, das Handy im Schoß, mit Katrina Grootens Akte ins Fernsehzimmer, während ich versuchte, mich zu beruhigen und auf die Ermittlungen zu konzentrieren. Mein Adrenalinspiegel war auf Grund von Angels Dilemma schon hochgefahren genug, aber durch diese Episode mit Shirley konnte ich nun mit Sicherheit nicht mehr einschlafen.
Ich schaltete den Fernseher ein, machte den Ton aus und wartete, ob sie auf NY1 live von dem Drama in East Harlem berichten würden.
Eine Stunde verging, dann noch eine. Ein spektakuläres Feuer, das im Hunts-Points-Viertel der Bronx außer Kontrolle geraten war, hielt das lokale Nachrichtenteam auf Trab. Meine Notizen ergaben keinen Sinn mehr, die Listen, die ich für Mike machte, wurden übertrieben lang, und das entspannende Wochenende auf dem Vineyard schien schon wieder einen Monat zurückzuliegen.
Um zehn nach drei klingelte das Telefon.
»Es geht ihr gut. Geh jetzt schlafen, Mädchen!« Mercers tiefe Stimme zerstreute meine schlimmsten Befürchtungen.
Ich atmete erleichtert durch, zu aufgewühlt, um zu sprechen.
»Hey, wir haben eine ziemlich gute Statistik. Die würde ich uns doch nicht von dieser kleinen Göre zunichte machen lassen. Ich komme morgen später rein. Wir sehen uns dann am Nachmittag.«
»Nimm dir so viel Schlaf, wie du brauchst. Tausend Dank von mir persönlich! Aber ich muss dich fragen, Mercer. Ist sie zu ihm gegangen, weil -«
»Sie ging aus genau den Gründen zu ihm, die du dir gedacht hast. Und sie trieb es gern mit Ralphie. Wie sich herausstellt, dealt er von seiner Wohnung aus mit Crack. Er hat sie ziemlich gut bei Laune gehalten. Angel beschloss, ein paar Ampullen einzustecken, bevor sie ging, um aus ihrem Besuch noch ein paar Dollar herauszuschlagen.«
»Ich seh’s kommen.«
»Er erwischt sie dabei und gibt ihr ein paar Ohrfeigen. Sie will nichts wie weg, aber mit ihrem blauen Auge will er sie nicht gehen lassen. Angel droht ihm, ihn zu verpfeifen, und da flippt er aus, da er weiß, dass sie schon mal die Polizei gerufen hat, um Felix hinter Gittern zu bringen. Sie nimmt die Waffe und zielt damit auf Ralphie, aber er entreißt sie ihr, und ihm fällt nichts Besseres ein, als sie auf das unterentwickelte Gehirn des Mädchens zu richten. Die Nachbarn hören Schreie und rufen die Polizei.«
Vielleicht war das das Alarmsignal, das Angel brauchte. Warum konnte sie nicht wie Dorothy im Zauberer
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