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Die Knochenkammer

Titel: Die Knochenkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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regulären Pflichten in solchen Notfällen in Bereitschaft.
    Mercer hatte die Intelligenz, Geduld und zwischenmenschlichen Fähigkeiten für diesen Job. In den Jahren, seit ich ihn kannte, war ich einige Male Zeuge gewesen, wie er geistesgestörte Verbrecher und eifersüchtige Liebhaber dazu brachte, ihre Waffen niederzulegen. Mike war angesichts seines Temperaments für den Job total ungeeignet. Er hatte keine Toleranz für die Drohungen oder Forderungen eines Verbrechers und explodierte noch leichter als ich.
    Wir sahen beide Mercer hinterher, wie er das Restaurant verließ, um einem Mädchen das Leben zu retten, das sich auf etwas eingelassen hatte, was ein paar Nummern zu groß für sie war. Mir fiel ein, dass sie sich die Vergewaltigungsanklage ausgedacht hatte, nachdem Felix ihr erzählt hatte, dass er auch mit ihrer Freundin geschlafen hatte, die wiederum Ralphies Namen auf ihrem Hintern eintätowiert hatte. Indem sie sich Ralphie in die Arme geworfen hatte, hatte Angel zweifellos versucht, es beiden heimzuzahlen.
    »Auf geht’s! Zeit, nach Hause zu gehen. Wir haben morgen einiges zu tun.«
    Während wir zu Mikes Auto gingen, war ich unfähig, mich auf den morgigen Tag zu konzentrieren. Ich konnte nur an das junge Mädchen denken, das in den Lauf einer Waffe starrte, und fragte mich, ob ich dazu beigetragen hatte, sie an diesen Punkt zu bringen.
    »Tust du mir einen Gefallen?«, fragte ich.
    Mike schürzte die Lippen und antwortete mit einem bestimmten »Nein«.
    »Bitte fahr die First Avenue hinauf! Ich schwör dir, dass ich nicht aussteigen werde. Ich will nur wissen, ob ihre Mutter dort ist. Ich will sehen, ob sie etwas braucht.«
    »Was du wirklich sehen willst, ist das Mädchen, und du weißt, dass das nicht geht. Wenn sie dich sieht, wäre das, als würde man ihr Sand in die Wunde streuen. Du kriegst deinen Willen, Blondie, aber nur, damit ich mir nicht dein Gejammere anhören muss.«
    Wir erreichten die Housing Projects ein paar Minuten vor Mitternacht. Der Straßenblock war auf beiden Seiten von der Polizei abgesperrt. Auf dem Gehsteig stand ein Lieutenant mit einem Megafon, und die Emergency Services hatten Scheinwerfer auf ein Fenster im fünften Stock gerichtet. Eine kleine Menge Schaulustiger hatte sich hinter einer Holzabsperrung angesammelt und wurde von uniformierten Cops zum Weitergehen aufgefordert. Ein Krankenwagen parkte in der zweiten Reihe, für den Fall, dass die Verhandlungen erfolglos sein würden.
    Ich suchte in der Gruppe, die dem leitenden Lieutenant am nächsten stand, nach Mercer, konnte ihn aber nicht sehen. Das war ein gutes Zeichen. Wahrscheinlich war er nach drinnen geschickt worden, um den wütenden Jungen zu besänftigen und ihn dazu zu bringen, die Wohnungstür aufzumachen und seine Geisel freizulassen.
    »Hier gibt’s nichts zu sehen. Die sind noch mitten dabei, Coop. Bisher ist niemand verletzt worden. Sie haben den Richtigen für den Job.« Mike nahm meine Hand vom Armaturenbrett und drückte sie.
    Drei Polizeibeamte rannten von der gegenüberliegenden Straßenseite vor unserem Auto über die Straße und in das Haus. Sie trugen alle die Uniform des Geiselkommandos, eine kurze schwarze Bomberjacke mit einer grellroten Schrift auf dem Rücken: TALK TO ME. Dahinter folgte ihnen in gemächlicherem Tempo ein uniformierter Boss, ein stämmiger Kerl mit einem Captain-Abzeichen über einer Reihe von Dienstauszeichnungen und Medaillen.
    »Hey, Chapman, wo, zum Teufel, denken Sie, dass Sie sind? Mit Ihrem Date im Drive-in-Kino? Bewegen Sie Ihren Hintern aus dem Auto, und machen Sie sich nützlich! Die Tussi soll Ihnen einen Kaffee holen.«
    Der Captain schlug mit der Faust auf die Kühlerhaube und schrie einem Lieutenant, der näher beim Haus stand, zu: »Hey, Bannerman. Kennen Sie Chapman hier? Mordkommission? Er macht auch noch mit.«
    Mike öffnete die Autotür, um zu protestieren. »Man hat mich schon öfter für das Geiselkommando abgelehnt, als Sie in Ihrem Leben Sex gehabt haben. Ich tauge nicht -«
    »Wir reden hier nicht von Verhandeln. Der Junge hat eine Waffe. Wer weiß, wie sich diese Sache entwickelt? Letzten Monat in Queens endete es mit einem Mord und einem Selbstmord. Da hat alles Süßholzraspeln der Welt nichts geholfen. Der Geiselnehmer schoss seine Geisel in den Kopf, dann steckte er sich die Waffe in den Mund und drückte ab. Wir nehmen jede Unterstützung, die wir kriegen können. Benehmen Sie sich wie ein Cop, nicht wie eine Primadonna! Yo, Bannerman, geben

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