Die Knochenkammer
abbekommen.«
David, ein Psychiater, und Renee, eine Therapeutin, hatten eine wunderschöne Weimaranerhündin namens Prozac. Ich hielt mich gerne für ihre Ersatzmutter. Sie hatte mich schon oft getröstet, wenn ich in einer schweren Nacht etwas Zuneigung und eine kalte Schnauze brauchte.
Ich ging hinaus, kniete mich hin, um den zutraulichen Hund zu begrüßen, und band ihn von der Parkuhr los, an der ihn Renee angebunden hatte.
Als Renee herauskam, hakte ich mich bei ihr ein, und wir machten uns auf zur Seventysecond Street, um einmal um den Block zu laufen.
»Was machst du um diese Uhrzeit mit Kaffee?«
»Ich bin so aufgedreht, dass ich sowieso nicht schlafen kann.« Ich erzählte ihr eine Kurzversion der Geiselnahme, und sie versuchte, mich aufzubauen und abzulenken.
»Wie geht’s Jake?«
Ich lachte. »Ich glaube, im Moment wäre es weniger stressig für mich, über Felix und Angel zu reden. Jake ist verreist.«
»Schon wieder? Ich hatte gehofft, dass wir uns nächste Woche mal zum Abendessen verabreden könnten.«
Ich zuckte die Achseln.
Zac blieb stehen und schnüffelte an dem schmiedeeisernen Tor vor einem Brownstone-Haus. »Ihr könnt mich allein haben, falls ihr das wollt. Ich bin mir nicht sicher, an welchem Tag er zurückkommt.«
Ich wollte weitergehen, aber Zac rührte sich nicht vom Fleck. »Komm schon, Baby! Zeit zum Schlafengehen.«
Das kluge, schlanke Tier senkte den Kopf und knurrte leise. Renee und ich drehten uns um, konnten aber nichts Ungewöhnliches entdecken, »Komm schon, Zac! Da ist niemand.« Ich machte zwei Schritte, aber der Hund sträubte sich. Renee nahm mir die Leine aus der Hand, und wir gingen in Richtung Third Avenue. Nachdem wir um die Ecke gebogen und die Hälfte des Blocks hinuntergegangen waren, blickte ich über die Schulter. Da war niemand, aber mir war, als ob ich im Eingang eines Geschäfts einen Schatten gesehen hätte.
Zac fand einen Hydranten, der ihr gefiel, und tat, was sie tun sollte. Währenddessen fand das Licht der Straßenlaterne den Schatten und verlängerte ihn auf die Straße hinaus. Er schien drei Meter lang zu sein.
»Okay, Zac, auf nach Hause.« Aber der Hund blieb störrisch und hörte nicht auf mich.
»Irgendetwas passt ihr wirklich nicht«, sagte Renee.
Ich verfiel in Laufschritt, und der heiße Kaffee schwappte über den Becherrand und verbrannte mir die Hand. Ich ließ den Becher fallen, als ich hinter uns eine Gestalt aus der dunklen Nische treten sah.
»Lauf, Renee! Zieh Zac mit, und lauf einfach, hörst du?«
Der Hund knurrte und verweigerte sich Renees Aufforderung. Sie musste meinen ängstlichen Gesichtsausdruck gesehen haben und befahl dem Tier streng, sich in Bewegung zu setzen. Trotz Zacs Knurren wusste ich, dass sie bei weitem zu sanftmütig war, um jemanden anzugreifen, und Renee würde noch eher sich selbst als die gutmütige Weimaranerhündin in Gefahr bringen. Ich gab Renee Deckung, bis sie und Zac sich in Bewegung setzten, und versuchte, das Gesicht der Person zu identifizieren.
Als der Hund laut zu bellen begann, lief Renee los und bog um die Ecke in die leicht abschüssige Seventyfirst Street. »Die Garage! Lauf in die Garage!«, rief ich ihr zu.
»Sag Jorge, er soll die Polizei anrufen!«
Ich bewegte mich im Krebsgang seitwärts und blickte zwischen Renee und unserem Verfolger hin und her.
Mehrere Autos fuhren auf der Avenue an uns vorbei, ohne dass sich die Insassen meiner Angst bewusst waren. Bis es mir gelingen würde, eins anzuhalten, hätte mich der Verfolger eingeholt.
Verfolger. Verfolgerin. Shirley Denzig? Die Neonlampen spielten ihre üblichen Streiche in der Dunkelheit. War die große Gestalt mit der Baseballmütze ein Mann, ein Fremder, der einfach spätnachts spazieren ging? Oder war es die kleine, gedrungene Gestalt von Denzig, die durch eine optische Illusion länger wirkte?
Jetzt lief er oder sie auch, zwar langsamer als wir, aber in unsere Richtung. Ich stand, verdeckt von dem Überhang, an der abschüssigen Tiefgaragenrampe unseres Wohnhauses und konnte die näher kommende Gestalt im hellen Schein der Straßenlaterne deutlich sehen.
Shirley Denzig. Ohne Zweifel. Die psychotische junge Frau hatte mir wieder einmal vor meinem Haus aufgelauert, als sich die Detectives nach ihren Betrügereien im Waldorf-Astoria wieder intensiver mit ihr beschäftigten.
Renee war bereits in der Garage und somit aus meinem Blickfeld verschwunden. Zacs Bellen hallte in der riesigen Tiefgarage.
Ich lief schneller.
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