Die Knochenkammer
Schluck Bourbon einschenkte.
»Sie möchten uns etwas über Pierre Thibodaux erzählen?«
»Du meine Güte, nein! Wie ich sehe, konnten die Zeitungen kaum warten, über ihn herzufallen. Sie müssen über die Politik des Met Bescheid wissen und darüber, wer ihm etwas anhängen will. Ich dachte, ich könnte Ihnen vielleicht helfen.«
»Wie lange sind Sie schon mit dem Met verbunden?«
»Meine Liebe, schon mein Vater war Mitglied des Kuratoriums. Er spendete 1925 seine erste Million. Alte Bankiersfamilie. Sein Vater kam um 1880 nach Amerika. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sich die Dinge seitdem verändert haben. Die Vorstellung, dass Gaylord und Bellinger mit dem Finger auf Pierre zeigen? Früher kannten Kuratoren ihren Platz.«
Ich wusste, dass Bellinger kein Fan des Direktors war, aber mir war nicht bewusst, dass er ihn öffentlich an den Pranger stellte. »Ist das wahr?«
Mrs. Gerst fuhr mit ihrer Geschichte fort. »Zur Zeit meines Vaters durften die Kuratoren nicht einmal sitzen, wenn sie vor dem Ankaufsausschuss des Kuratoriums etwas vortrugen. Sie kamen in das Meeting, beschrieben ihre Forschungsarbeiten und gingen wieder. So, wie es sein sollte. Von den Ehefrauen der Kuratoriumsmitglieder wurde erwartet, dass sie am Ende der Saison Abendkleider aus ihrer eigenen Garderobe spendeten, damit die Frauen der Kuratoren bei Museumsveranstaltungen angemessen eingekleidet waren. Ich erinnere mich an das Jahr, als ich ans College kam. Ich heulte, als ich erfuhr, dass meine Mutter der Frau des Kurators für griechische und römische Kunst eine ihrer Südseeperlenketten gegeben hatte, zusammen mit ein paar Chanel-Abendkleidern. Heute ist es eine andere Welt. Jetzt bilden sie sich noch etwas ein.«
»Warum denken Sie, dass Hiram Bellinger nicht mit Pierre zurechtkam? Eine Frage des Stils? Der ruhige Wissenschaftler gegen den Showman am Ruder?«
»Hiram ist eine ewige Heulsuse. Egal, wie viel Geld wir ihm und den Cloisters zustecken, er ist nie zufrieden. Er hat Pierre schrecklich blamiert mit dem Kauf der Wandteppiche, von denen er behauptete, dass sie aus der Werkstatt der Gobelins stammten. Wir haben ihm ein Vermögen gegeben, damit er den Deal abschließt. Er brachte sie hierher, um sie im Textillabor der Kathedrale Saint John the Divine restaurieren zu lassen, und es stellte sich heraus, dass sie ganz anderer Provenienz waren. Sie waren nicht einmal das Geld für den Flugtransport nach Amerika wert.«
Ich sah auf meine Uhr. Gersts Klatschgeschichten waren interessant, aber sie brachten uns nicht wirklich weiter.
Sie stellte ihr Glas auf einem Beistelltischchen ab und sah Mike an. »Was ich wissen wollte, ist, ob Ihnen jemand von den Gewölben erzählt hat?«
»Gewölben?« Ich sah Mike an. Er schüttelte den Kopf.
»Das hätte ich mir denken können. Es sind nicht mehr viele Leute aus den Anfangstagen da. Es ist durchaus möglich, dass nicht einmal Pierre von ihrer Existenz weiß.«
Mrs. Gerst nahm ein paar Schluck von ihrem Bourbon.
»Vor fast fünfzig Jahren herrschten sehr magere Zeiten am Museum. Es gab damals ein Kuratoriumsmitglied namens Arthur Paglin, der eine mittelmäßige Privatsammlung hatte, aber schrecklich viel Geld. Der damalige Direktor war wie wild hinter ihm her, damit er Geld für eine umfassende Renovierung der Eingangshalle spendete. Aber der Mann konnte verhandeln wie der Teufel.«
»Was hat er getan?«
»Er willigte ein, das Geld zu spenden. Aber unter zwei Bedingungen. Die erste war, dass ihm das Museum den Großteil der viele Jahre zuvor erstandenen ägyptischen Kunstsammlung zu den ursprünglichen Preisen verkaufte.«
»Warum das?«
»Damit er die Objekte wieder dem Met vermachen konnte und sie damit für immer als >Geschenk von Arthur Paglin< ausgewiesen waren. Er würde den Ruhm einstreichen, die Sammlung zusammengestellt zu haben, und er würde es auch noch von der Steuer absetzen können. In den dreißiger Jahren war die Steuerersparnis viel mehr wert als die Kunstwerke.«
»Und die zweite Bedingung?«
»Er verlangte einen Lagerraum im Untergeschoss des Museums. Ein Privatgewölbe, zu dem nur er und sein persönlicher Kurator Zutritt hatten. Mietfrei.«
»Und das hat er bekommen?«
»Nur gegen größten Widerstand. Stellen Sie sich vor, welchen Wert es für Sammler hatte, ein absolut sicheres Gewölbe direkt im Met zu haben, ohne etwas dafür bezahlen zu müssen.«
»Warum ist man darauf eingegangen?«
»Weil der Museumdirektor letztendlich den Inhalt des
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