Die Knochenleserin
nicht für Sie getan. Ich habe es für Laura Ann getan«, erwiderte Megan. »Und für all die Kinder, die dieses Ungeheuer getötet hat. Jemand musste ihm das Handwerk legen.«
»Aber ich habe Sie da hineingezogen.«
»Ja, allerdings.« Sie setzte sich im Bett auf. »Ich muss aufstehen und duschen. Dann möchte ich hier raus.«
»Man wird Sie ohne Einverständnis eines Arztes nicht entlassen.«
»Können Sie bitte Bescheid sagen, dass es mir wieder gut geht, und alles Notwendige veranlassen?« Sie schwang die Beine aus dem Bett, musste jedoch einen Moment sitzen bleiben, bevor sie aufstehen konnte. »Ich fühle mich ein bisschen benommen.«
»Das überrascht mich nicht. Wollen Sie nicht lieber warten, bis –«
»Alles in Ordnung.« Sie stand vorsichtig auf. »Wenn Phillip eintrifft, bevor ich aus der Dusche komme, sagen Sie ihm doch bitte, ich hätte gern einen Hamburger und einen heißen Kakao.«
»Ich rufe ihn an und sage ihm, er soll gleich alles mitbringen.«
»Danke.« Megan ging etwas steif durch das Zimmer. »Es geht dabei nicht so sehr um mich. Phillip fühlt sich einfach besser, wenn er für mein leibliches Wohl sorgen kann. Ich nehme an, dass er ziemlich beunruhigt war.«
»Das wäre untertrieben.« Sie sah Megan zu. »Sie bewegen sich wie jemand, der von einem Auto überfahren wurde. Haben Sie Schmerzen?«
»Ich fühle mich eher, als hätte man mich in einen Betonmischer geworfen und anschließend ausgekippt. Einfach völlig erledigt.«
Eve versuchte sich zurückzuhalten. Lass ihr Zeit. Warte noch mit deiner Frage.
Aber sie konnte einfach nicht widerstehen. »Ich muss wissen, ob es –«
»Nicht jetzt, Eve.« Megan öffnete die Badezimmertür. »Ich rede später mit Ihnen. Ich weiß, was Sie durchgemacht haben.«
Und sie hätte ein bisschen geduldiger sein können, dachte Eve, als sich die Tür hinter Megan geschlossen hatte. Sie hatte sich wie ein selbstsüchtiges Miststück benommen, als Megans Zustand sich gerade erst wieder zu stabilisieren begann. Sie war der Frau etwas schuldig, und sie sollte ihr lieber helfen, anstatt sie mit Fragen zu quälen.
Sie nahm ihr Handy und wählte erneut Phillip Blairs Nummer.
17
A ls Megan vier Stunden später aus dem Krankenhaus entlassen wurde, beschloss sie, erst noch mit Phillip ins Hotel zu gehen, anstatt sofort nach Atlanta zurückzufahren.
»Eve bringt mich zum Hotel«, erklärte Megan Phillip, als sie das Zimmer verließen. »Wir treffen uns dort. Einverstanden?«
»Einverstanden.« Er drehte sich zu Eve um. »Und Sie passen bitte auf sie auf.«
Sie lächelte. »Das werde ich tun. Auf mich brauchen Sie also kein Auge mehr zu haben?«
»Fragen Sie Megan. Aber es ist jetzt mehr als zehn Stunden her, und ich denke, Sie dürften außer Gefahr sein.« Er streckte ihr die Hand hin. »Ich mag Sie, aber was Sie mit Megan gemacht haben, gefällt mir überhaupt nicht. Tun Sie es nicht noch einmal.«
Sie schüttelte seine Hand. »Machen Sie’s gut, Phillip. Ich hoffe, dass wir uns unter angenehmeren Bedingungen wiedersehen werden.«
»Mir fällt auf, dass Sie nichts versprechen«, sagte Phillip. »Wir sehen uns im Hotel, Megan.«
Megan sah ihm nach, als er zu den Aufzügen ging, dann drehte sie sich zu Eve um. »Er hat mir gesagt, er hätte sich genötigt gefühlt, Ihnen von dieser Pandora-Geschichte zu erzählen. Das hätte er nicht tun sollen.«
»Er schien der Auffassung zu sein, dass es ein gewisses Risiko gab. Und er war sich nicht sicher, ob und wann Sie wieder aus Ihrer Bewusstlosigkeit aufwachen würden und die Sache selbst in die Hand nehmen könnten.«
»Ich verstehe, warum er es getan hat.« Sie ging den Korridor hinunter. »Er ist ein verantwortungsbewusster Mensch. Aber da nichts Schlimmes passiert ist, wäre es mir lieber, Sie hätten nie davon erfahren. Es klingt zu sehr nach einem X-Men-Film.« Sie warf Eve einen Blick zu. »Sie glauben es nicht, sehe ich das richtig?«
»Es fällt mir zumindest schwer.«
Megan zuckte die Achseln. »Mir ist es genauso gegangen. Ich musste erst davon überzeugt werden. Aber da ich Sie nicht angesteckt habe, können Sie es als Geschwätz einer durchgeknallten Psychotante abhaken und es einfach vergessen.«
»Sie sind doch nicht durchgeknallt. Sie haben uns zu dieser Insel geführt.«
»Also gut, als Zuhörer bin ich es nicht, aber als Pandora bin ich völlig übergeschnappt.« Megan hob die Hand, als Eve etwas erwidern wollte. »Schon in Ordnung. Es verletzt mich nicht. Ich würde genauso
Weitere Kostenlose Bücher