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Die Knochenleserin

Die Knochenleserin

Titel: Die Knochenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Johansen
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hatte sie, dachte Eve. Also war sie eine gute Schauspielerin. Es war nach wie vor eine Scharade.
    »Sie bewegt sich nicht. Was tut sie?«, fragte Montalvo, den Blick auf Megan gerichtet.
    »Nun ja, Sie würde wahrscheinlich sagen, dass sie lauscht. Sie hört Stimmen, nicht wahr?«

7
    O kay, es war sinnlos, es vor sich herzuschieben, dachte Megan. Sie hatte Venable ein Versprechen gegeben, und das musste sie halten. Vielleicht hatte sie ja Glück und würde nichts hören.
    Sie sah Eve Duncan neben Montalvo auf dem Abhang sitzen. Die arme Frau. Durch welche Hölle musste sie gegangen sein, als ihre Tochter verschwunden war. Und jetzt ging sie schon wieder durch die Hölle. Sie wünschte, sie könnte irgendetwas tun, um ihr zu helfen.
    Aber jetzt durfte sie sich wegen Eve keine Gedanken machen. Sie musste die Blockade lockern und sich für die Stimmen öffnen.
    Falls Stimmen da waren.
    Bitte lass keine Stimme da sein.
    Sie schloss die Augen, versuchte sich zu entspannen und sich zu konzentrieren.
    Nichts.
    Nur das Rauschen des Bachs, der Gesang der erwachenden Vögel im Morgengrauen, der Wind in den Blättern der Bäume.
    Keine Stimmen.
    Wenn Bobby Joe hier gewesen war, dann war ihm zumindest nicht weh getan oder Angst eingejagt worden.
    Oder hielt sie ihn von sich fern, weil sie selbst solche Angst hatte?
    Sie versuchte es erneut.
    Schreie.
    Bobby Joe. Bobby Joe. Bobby Joe.
    Nicht hier. Aber in der Nähe. Sehr nah.
    Nein. Bleib fort. Ich halte es nicht aus. Schmerz.
    Todesangst.
    Sie versuchte, ihn abzuwehren, aber es gelang ihr nicht.
    Wo? Wo bist du denn?
    Schreie.
    Wo bist du?
    Schreie, die ihr bis ins Mark gingen und das Blut in den Adern gefrieren ließen.
    Sie krümmte sich zusammen, als Bobby Joes Schmerzen sie überwältigten.
    Vielleicht würde es ja gleich vorbeigehen, und sie würde sich wieder in den Griff bekommen. Er war nicht hier. Nah, aber nicht hier.
    Wo?
     
    »Was ist mit ihr?« Eve sprang auf. »Sie sieht aus, als wenn –« Sie rannte die Böschung hinunter. Vielleicht war es ja idiotisch, in Panik zu geraten. Es konnte auch gespielt sein. Aber offenbar litt Megan fürchterliche Schmerzen, so wie sie dalag. Verdammt, es konnte ein Schlaganfall oder ein Herzinfarkt sein.
    Montalvo war vor ihr da. »Sie ist bei Bewusstsein.«
    Eve fiel auf die Knie. »Megan. Sagen Sie mir, was nicht stimmt. Wo tut es Ihnen weh?«
    »Nicht mir.« Megan öffnete die Augen. »Bobby … Joe«. Zittrig atmete sie ein. »Einen Moment … noch. Ich versuche, ihn auszublenden. Vielleicht kann ich ja … Es ist nicht hier passiert.«
    Eve setzte sich in die Hocke. »Tun Sie das nicht, Megan. Lügen Sie nicht –«
    »Ich lüge nicht.« Ihr liefen die Tränen über die Wangen. »Es tut so weh. Ich könnte nicht … lügen.«
    Am liebsten hätte Eve sie in den Arm genommen. Gleichzeitig verspürte sie den Impuls, sie zu schütteln. »Bleiben Sie bei ihr, Montalvo. Ich rufe den Sheriff an und bitte ihn herzukommen.« Sie stand auf, ging ein Stückchen weiter und wählte die Nummer des Sheriffs. »Am besten, Sie kommen her.«
    »Was ist los?«
    »Ich weiß es nicht.« Es war die Wahrheit. Sie fühlte sich so zerrissen und verwirrt, dass sie nicht klar denken konnte. Sie wollte es nicht wahrhaben, aber es konnte kein Zweifel daran bestehen, dass Megan Blair glaubte, Bobby Joe gehört zu haben. »Sie glaubt, da ist irgendetwas … Vielleicht spinnt sie auch und phantasiert sich was zusammen. Am besten, Sie kommen her und reden mit ihr.«
    Sie holte tief Luft, drehte sich um und ging wieder zu Montalvo und Megan. Megan saß aufrecht, und Montalvo hatte stützend den Arm um sie gelegt. Sie war blass und presste die Lippen fest zusammen.
    Montalvo sah zu Eve auf, als sie näher trat. »Ihr geht’s nicht gut. Sie zittert wie Espenlaub.«
    »Es geht schon wieder«, sagte Megan. »Es ist mir gelungen, die Stimmen auszublenden.« Sie löste sich abrupt von Montalvo und richtete sich auf. »Danke. Ich hätte Sie das nicht tun lassen dürfen, aber ich brauchte jemanden. Ich denke, es ist jetzt wieder in Ordnung.«
    »Gern geschehen«, erwiderte Montalvo. »Ich habe zwar keine Ahnung, wovon Sie reden, aber ich bin sicher, alles wird wieder gut.«
    »Es gibt in diesem Leben nichts, dessen man sich sicher sein kann.« Megan schaute dem Sheriff entgegen, der auf sie zukam. »Ich muss Bobby Joe finden. Es wird mir weh tun. Ich weiß nicht, was geschehen wird oder was ich tun werde. Sheriff Dodsworth ist ein netter Kerl, aber er könnte bei

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