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Die Knochenleserin

Die Knochenleserin

Titel: Die Knochenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Johansen
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gesprochen?«
    »Ich hab nur seine Mailbox erreicht. Er ist wahrscheinlich noch im Wald. Aber er müsste eigentlich längst Bescheid wissen.« Jeder in der Einsatzleitung im Clayborne Forest würde es wissen, nachdem der Sheriff die Spurensicherung angefordert hatte. »Ich habe ihn gebeten, mich anzurufen.«
    »Ich gehe zurück und helfe beim Graben. Wir können nur langsam arbeiten, um mögliche Spuren nicht zu vernichten.« Er schwieg einen Moment. »Das Ganze ist schon ziemlich merkwürdig, finden Sie nicht auch? Bisher war ich immer der absolute Realist. Aber vielleicht ist ja was dran.« Er legte auf.
    Ja, es könnte etwas dran sein, dachte Eve, als sie an das Bett trat, in dem Megan Blair lag. Megan im Wald zu erleben, hatte sie zutiefst erschüttert.
    Sie hatte sich immer eingeredet, dass die Besuche ihrer kleinen Bonnie nur Träume waren, weil sie den Gedanken nicht ertragen konnte, eventuell so labil zu sein, dass sie schon Gespenster sah. Wie Montalvo war sie ein realistischer Mensch. Pure Verzweiflung hatte sie damals dazu bewogen, Zuflucht bei diesen Medien zu suchen, und sie war bitter enttäuscht worden.
    Vielleicht würde Megan Blair sie auch enttäuschen. Eve bewunderte ihren Mut und ihre Ausdauer, aber das hieß noch lange nicht, dass die Frau keine Spinnerin war. Schizophrene hörten auch manchmal Stimmen.
    Und wenn Bobby Joe tatsächlich dort gefunden wurde, wo Megan sie hingeführt hatte? Was sollte Eve dann noch glauben? Zufall? Wahrheit? Ersteres wäre ein krampfhafter Versuch, das Geschehene zu rationalisieren. Wahrheit würde bedeuten, sie müsste sich eingestehen, dass Realität nicht unbedingt das war, was sie dafür hielt.
    Sie setzte sich in den Sessel neben Megans Bett und lehnte sich zurück, um zu warten, bis sie aufwachte.
     
    Eine Stunde später öffnete Megan die Augen.
    »Wie geht es Ihnen?«, fragte Eve. »Möchten Sie ein Glas Wasser?«
    »Ja bitte.« Sie sah sich um. »Wo bin ich hier?«
    »In meinem Hotelzimmer.« Sie half ihr, sich aufzusetzen, und goss ihr aus der Karaffe auf dem Nachttisch ein Glas Wasser ein. »Ich dachte, hier würde es Ihnen besser gefallen als in einem Krankenhaus. Ich habe einen Arzt gebeten, nach Ihnen zu sehen. Er meinte, Sie würden sich wieder erholen und ich sollte ihn anrufen, falls Sie innerhalb von acht Stunden nicht aufwachen würden.« Sie sah auf die Uhr. »Sie haben es gerade noch geschafft. Ich würde sagen, Sie haben einen fürchterlichen Schock erlitten.«
    »Es hat … weh getan.« Sie trank einen Schluck Wasser. »Ich hatte schon befürchtet, dass ich das Bewusstsein verlieren würde. Das ist schon mal passiert. Vielleicht ist es ja so eine Art heilender Winterschlaf, oder vielleicht halte ich es auch einfach nicht aus und muss mich auf diese Weise in Sicherheit bringen.«
    »Sie hatten Todesangst.«
    Megan lächelte schwach. »Sind Sie sicher, dass ich das nicht bloß gespielt habe?«
    Eve nickte langsam. »Das war keine Show. Andernfalls müssten Sie die totale Masochistin sein. Ich habe noch nie erlebt, dass jemand so gelitten hat.«
    »Es war Bobby Joe«, sagte Megan schlicht. »Ich nehme nicht nur das Echo von Geräuschen auf, sondern auch das von Gefühlen.«
    »Großer Gott«, sagte Eve. »Und der Junge lag im Sterben?«
    »Der Mörder hat sich viel Zeit gelassen. Es hat lange gedauert«, sagte sie zitternd. »Sie werden nicht wollen, dass ich darüber spreche.«
    Nein, sie wollte es nicht. Aber eins musste sie noch fragen. »Sie sagten, dass er brannte, erwähnten etwas von Säure. Was haben Sie damit gemeint?«
    »Der Mörder hatte vor längerer Zeit ein riesiges Fass mit Säure im Boden vergraben. Bobby Joe konnte die Säure blubbern sehen. Der Mann hat ihn gefesselt und die Säure auf ihn tropfen lassen.« Megan trank den Rest des Wassers. »Dreht es Ihnen den Magen um? Mir auch. Ich habe Ihnen ja gesagt, Sie würden es nicht hören wollen.«
    Eve war übel vor Entsetzen. Sie sah dieses Ungeheuer mit dem kleinen Jungen vor sich. »Ich musste es mir anhören, um mich zu vergewissern.« Sie lehnte sich im Sessel zurück und schloss die Augen. »Montalvo hat vor zehn Minuten angerufen. Sie haben ein großes, verschlossenes Metallfass gefunden. Es war voll Säure, und darin schwammen die Knochen eines Kindes. Da nur noch das Skelett übrig ist, konnten sie nicht feststellen, ob es sich um Bobby Joe handelt. Dazu muss ein DNA-Test durchgeführt werden.«
    »Es ist Bobby Joe.«
    »Ich weiß.« Eve öffnete die Augen. »Ich wusste

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