Die Knochenleserin
würde Montalvo töten, nur um zu beweisen, dass er dazu in der Lage war. Er betrachtete Montalvo gar nicht als Gefahr. Sein Ego war viel zu groß, als dass er sich vorstellen konnte, irgendjemand könnte ihm gefährlich werden.
Es war Blödsinn, sich wegen Montalvo Sorgen zu machen. Niemand konnte besser auf sich aufpassen als er. Aber verdammt, wie sollte sie sich keine Sorgen machen, wenn ihm nur deshalb Gefahr drohte, weil er ihr half?
Sie musste mit Joe reden. Sie musste ihm von Kistles Anruf berichten. Kistle hatte zwar behauptet, er sei nicht in ihrer Nähe, aber Joe würde wissen, ob das stimmen konnte.
Sie sprang auf und lief die Stufen hinunter. Joe und Toby würden sicherlich schon auf dem Rückweg sein, aber sie konnte nicht warten. Sie lief ihnen entgegen.
»Du wirst ablehnen«, sagte Joe sofort. »Du bleibst hier und lässt ihn kommen.«
»Aber stimmt es denn? Ist es möglich, dass er meinen Anruf aus größerer Entfernung mithören konnte, oder ist er ganz in der Nähe?«
»Mit einem Hightech-Scanner wäre es möglich.«
»Aber er hat meine Handynummer doch gar nicht.«
»Er muss sich nicht auf eine Nummer einpegeln. Er kann einen allgemeinen Scan durchführen, bis er das Telefon lokalisiert, das er haben will. Aber jetzt wird er deine Nummer wahrscheinlich haben.«
»Mist.«
»Ich kann dafür sorgen, dass unsere Handys ab morgen verschlüsselt sind.«
»Gut. Tu das.«
»Aber wir können nicht darauf vertrauen, dass er die Wahrheit sagt in Bezug auf seinen Aufenthaltsort. Ich werde ein paar Sicherheitsleute anfordern, die das Haus bewachen. Und ich werde mich im Wald umsehen.«
»Okay«, sagte sie abwesend, aber dann schüttelte sie heftig den Kopf. »Nein, nein, ein Sicherheitsteam wäre für ihn dasselbe wie Polizei. Er hat gesagt, keine Polizei.«
»Pech. Wir werden tun, was nötig ist, damit du sicher bist. Er hat nur dann die Kontrolle, wenn wir ihm die Zügel in die Hand geben.«
»Du irrst dich«, entgegnete sie ruhig. »Er sitzt am längeren Hebel, weil er etwas hat, was ich mehr will als alles andere.«
»Herrgott noch mal, Eve«, sagte Joe durch die zusammengebissenen Zähne. »Wir wissen ja nicht einmal mit Sicherheit, ob er Bonnie überhaupt getötet hat.«
»Die Chance ist aber verdammt groß. Das weißt du auch.«
»Nicht groß genug, um deinen Hals zu riskieren.« Er musterte ihren Gesichtsausdruck. »Ich fasse es nicht. Du willst dich tatsächlich auf das Spiel dieses Killers einlassen.«
»Vielleicht. Ich weiß es noch nicht. Ich muss darüber nachdenken.«
»Nein, bleib hier.«
»Hör mir doch zu, Joe.« Sie sah ihm in die Augen. »Bei einer Sache, die dieser Scheißkerl gesagt hat, hat er recht. Ich kann nicht auf meinem Hintern sitzen und abwarten, was passiert. Das ist wirklich mein Krieg, und dabei will ich mehr als nur Zuschauerin sein. Im Clayborne Forest wollte ich euch nicht in die Quere kommen, aber wäre ich da gewesen, hätte er sich vielleicht auf mich konzentriert anstatt auf die Deputies, und vielleicht hätten wir ihn fassen können.«
»Oder er hätte dir einen Pflock ins Herz getrieben.«
Sie schüttelte den Kopf. »Er will mich nicht sofort töten, sonst würde er nicht einen solchen Aufwand betreiben. Er will sich amüsieren.«
»Und du würdest dich von ihm foltern lassen, nur damit er sich amüsieren kann.«
»Nein, aber ich will Bonnie. Ich muss jede Chance ergreifen, um sie zu bekommen.« Sie wandte den Blick von ihm ab. »Aber es sollte mein Risiko sein, nicht deins. Ich habe nicht das Recht, das von dir zu verlangen.«
»Du willst mich doch nicht etwa ausschließen?«
»Ich will nicht verantwortlich sein für –«
»Schwachsinn«, sagte er schroff. »Glaubst du vielleicht, ich ließe dich allein gegen ihn antreten? Ich mag dich ja vielleicht für bescheuert halten, aber das würde ich nicht zulassen.«
»Du bist immer an meiner Seite gewesen, aber ich dachte …« Gott, war das schwierig. »Das ist jetzt zu hart für dich. Du hast mir gesagt, was du in Bezug auf Bonnie empfindest. Ich möchte nicht, dass du irgendetwas tust, was du später bereust.«
»Ich kann nicht anders. Ich würde es garantiert mehr bereuen, wenn ich zuließe, dass er dich tötet. Und jetzt geh ins Haus.« Er war schon unterwegs. »Ich sehe mich im Wald um.«
Sie schaute ihm hilflos nach, als er im Wald verschwand. Er war wütend und frustriert, und die Brücke, die sie über dem Graben zwischen ihnen errichtet hatten, war eingestürzt. Verdammter
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