Die Knochenleserin
in das Boot klettern. Dieser Alligator ist zwar total fasziniert von uns beiden, aber sein Kumpel könnte jeden Moment zurückkommen. Und bei den vielen Unterwasserwurzeln können Sie das Boot nicht nah genug an den Baum hier heranbringen, falls Sie das vorhaben. Könnten Sie vielleicht diesen Alligator aus dem Weg bugsieren?« Dann fügte er hinzu: »Und zwar ein bisschen hurtig, bitte, wenn’s geht.«
»Bugsieren?« Montalvo zog sich ins Boot. »Ich fürchte, mit Bugsieren ist es bei dem Biest nicht getan. Ich werde wohl ein paar gezielte Schüsse abgeben müssen, um es zu erledigen.«
»Gute Idee. Ist es nicht ein Glück, dass sie in diesen Sümpfen nicht mehr als gefährdete Spezies gelten?«
»Erschießen Sie ihn«, sagte Laura Ann durch die zusammengebissenen Zähne. »Schnell.«
»Die Kleine wird ungeduldig. Kluges Mädchen. Habe ich Ihnen eigentlich schon erzählt, wie bemerkenswert intelligent sie ist?«
»Ich muss näher rankommen, um ihn tödlich zu treffen. Diesen Panzer durchschlägt keine Kugel. Das Auge, denke ich …« Montalvo ruderte näher. »Schaff sie höher in die Baumkrone.«
»Das ist nicht so einfach. Ich versuch es schon die ganze Zeit.«
Der Ast neigte sich noch ein paar Zentimeter tiefer.
Laura Ann schrie auf und klammerte sich so fest an Miguels Hals, als wollte sie ihn erwürgen.
»Schhh«, flüsterte Miguel. »Mein Freund ist da. Er wird uns helfen. Der kennt sich aus.«
»Montalvo?«, fragte sie zittrig. »Der so ist wie der hässliche Affe?«
»Affe?« Montalvo drehte das Boot bei. »Wenn ich euch da rausgeholt habe, werde ich ein Wörtchen mit dir reden müssen, Miguel.«
»Es war eigentlich eher als eine Art Kompliment gedacht«, sagte Miguel.
»Da bin ich mir ganz sicher.« Er zielte auf den Alligator unter dem Baum. »Der Ast bricht gleich weg. Haltet die Luft an.«
»Alles klar«, erwiderte Miguel heiser. »Wozu brauch ich Sauerstoff?«
Der Alligator drehte sich zu Montalvos Boot hin, als witterte er Gefahr … oder frisches Fleisch.
Montalvo zielte auf sein Auge und schoss.
Aber der Alligator bewegte sich im letzten Moment, sodass die Kugel ihn nur am Rand des Auges traf. Das Tier bäumte sich vor Wut und Schmerz auf und peitschte den mächtigen Schwanz mit verzweifelter Wucht gegen den Stamm der Zypresse.
Und der Ast splitterte endgültig weg.
»Zum Ufer«, schrie Miguel Laura Ann zu, als sie nur wenige Meter neben dem verwundeten Alligator im Wasser landeten. Mit aller Kraft schob er sie Richtung Insel. »Schwimm!«
»Verflucht.« Montalvo warf den Motor an und brachte das Boot zwischen das Mädchen und den Alligator. Der Alligator rammte das Boot, sodass es heftig zu schaukeln begann. »Miguel, schwimm hinterher. Ich weiß nicht, wie lange ich ihn ablenken kann.«
Miguel zögerte.
»Los!«
Miguel schwamm mit kräftigen Zügen zum Ufer.
Joe ballte die Hände zu Fäusten, als er beobachtete, wie der Alligator Montalvos Boot immer wieder rammte und mit Schlägen seines massigen Schwanzes in Schräglage brachte. Verdammt, noch ein Schlag, und Montalvo würde im Wasser landen. Von seiner Position auf Kistles Insel sah Joe, dass Montalvo verzweifelt mit dem Gewehr zu zielen versuchte, während er sich bemühte, das Boot vor dem Kentern zu bewahren.
Montalvo würde allein mit der Situation fertig werden, dachte Joe. Miguel und das Mädchen waren außer Gefahr und hatten das Ufer der gegenüberliegenden Insel erreicht. Joe hatte andere Dinge zu erledigen. Kistle musste ganz in der Nähe sein. Wahrscheinlich beobachtete er ebenso wie Joe das Katastrophenszenario.
Er wandte sich vom Wasser ab, um sich auf den Weg zu machen.
Nein, verdammt, falls Montalvo auch von Kistle beobachtet wurde, gab er in dem Boot eine perfekte Zielscheibe ab. Kistle hatte Joe gesagt, er wolle sich Laura Ann zurückholen. Dazu würde er den Mann aus dem Weg räumen müssen, der ihm im Weg stand.
Der Alligator peitschte seinen Schwanz immer wieder gegen das Boot und warf es hin und her wie ein Spielzeug. Wenn Kistle Montalvo nicht tötete, würde der Alligator das für ihn besorgen, sobald das Boot kenterte.
Verflucht.
Joe sprang ins Wasser und schwamm auf das Boot zu. »Montalvo!« Er zog seine Machete und schnitt sich damit in den Arm. »Ich hinterlasse eine Blutspur im Wasser. Sobald ich nah genug bin, dass der Alligator das Blut riecht, wird er das Boot in Ruhe lassen und versuchen, mich zu erwischen. Dann haben Sie Zeit für einen Schuss.« Grimmig fügte er hinzu: »Und
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