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Die Knochenleserin

Die Knochenleserin

Titel: Die Knochenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Johansen
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ich mich wesentlich mehr würde ins Zeug legen müssen, um das so hinzukriegen, aber die Vorsehung hat es gut mit mir gemeint. Kommen Sie, lassen Sie sich das nicht entgehen.«
    Eve ging vorsichtig näher, bis sie nur noch ein paar Meter von ihm entfernt am Ufer stand. »Tun Sie das nicht, Kistle.«
    »Sie wissen genau, dass ich es tun werde. Zuerst das Kind.«
    »Immer die Kinder«, sagte sie verbittert. »Genau wie Bonnie.«
    »Ja.«
    »Haben Sie Bonnie getötet, Kistle?«
    »Ich hätte sie töten können.«
    »Haben Sie sie getötet? Ist sie hier?«
    Kistle lächelte boshaft. »Ich habe Ihnen doch gesagt, wo Sie Ihre Antwort bekommen können.« Er trat an den Uferrand und hob das Gewehr, um Laura Ann ins Visier zu nehmen. »Und bewegen Sie sich nicht, sonst trifft die Kugel nicht den Arm, sondern den Kopf. Ich will, dass sie Ihnen noch ein Weilchen Gesellschaft leistet.«
    »Warten Sie.«
    »Ich kann nicht warten. Quinn und Montalvo sind bereits unterwegs, um sie aufzulesen. Sie sind ziemlich schnell, und ich –«
    Ein unerträglicher Schmerz durchfuhr seine Hand, die gerade zum Abzug greifen wollte.
    Eine Kugel hatte ihn getroffen, stellte er ungläubig fest.
    Fassungslos starrte er Eve Duncan an, die direkt vor ihm stand und mit einer Magnum auf ihn zielte. Das Miststück hatte auf ihn geschossen!
    Wieder durchzuckte ihn heißer Schmerz, als ihn die nächste Kugel am Arm traf.
    Sein Gewehr fiel zu Boden.
    Nein!
    Er bückte sich, um es aufzuheben.
    Ein Schmerz im Rücken. Sie hatte schon wieder geschossen.
    »Verdammtes Miststück«, schrie er. »Das können Sie mir nicht antun.«
    »Doch, ich kann.« Sie trat auf ihn zu. Ihr Gesichtsausdruck war hart und erbarmungslos. Mit dem Fuß schob sie ihn vom Ufer ins Wasser. »Fragen Sie Bobby Joe und Laura Ann. Fragen Sie all die Kinder, die Sie hier auf der Insel begraben haben. Fragen Sie meine Bonnie.«
    Halb wahnsinnig vor Schmerz, mit Wasser in den Augen und in der Kehle, röchelte er: »Ich werde davonkommen. Sie können mich nicht aufhalten.« Mit seinem gesunden Arm fing er an zu schwimmen. »Ich komme zurück und werde euch alle töten. Niemand kann mich aufhalten.«
    »Da irren Sie sich.« Er sah, wie sie am Ufer stand, die Waffe hob und auf seinen Kopf zielte. »Ich kann Sie aufhalten.« Langsam spannte ihr Finger den Abzugshahn. »Fragen Sie die Alligatoren, Kistle.«
    Sein Kopf explodierte, als die Kugel seinen Schädel zertrümmerte.
     
    Eve ließ die Waffe fallen und sank zu Boden. Sie fror, und sie konnte den Blick nicht von der Stelle abwenden, an der Kistle im Wasser verschwunden war.
    Sie hatte ihn getötet und empfand keinerlei Gewissensbisse. All diese Kinder, all die Grausamkeit und Brutalität, die er in die Welt gebracht hatte. Sie würde Joe gleich anrufen und ihm berichten, was geschehen war, aber zuerst musste sie ihre Fassung wiedergewinnen.
    Selbst nach dem Anruf starrte sie immer noch aufs Wasser.
    Ein paar Minuten später sprang Joe aus Montalvos Boot ans Ufer. »Fahren Sie weiter«, sagte er zu Montalvo. »Holen Sie das Mädchen und Miguel, und bringen Sie sie zur Anlegestelle. Ich kümmere mich um Eve.«
    »Sie scheint sich ziemlich gut um sich selbst kümmern zu können.« Montalvo wendete das Boot. »Aber ich beneide Sie um die Gelegenheit.«
    Joe erwiderte nichts, sondern ließ sich neben Eve auf die Knie fallen. »Du hast Blut an deinem Anorak. Du hast nichts davon gesagt, dass du verletzt bist.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Er hat mich angeschossen, aber dafür gesorgt, dass es nur ein Streifschuss war.« Sie lächelte schief. »Er wollte nicht aufs Spiel setzen, was er noch mit mir vorhatte.« Ihr Blick wanderte wieder zum Wasser. »Ich habe ihn getötet. Und ich bereue es nicht. Solche Ungeheuer haben kein Recht zu leben.«
    »Das stimmt, mir tut es nur leid, dass du diejenige sein musstest, die ihn erledigt.« Joe nahm sie in die Arme. »Ich bin noch ein bisschen nass, aber ich möchte dich halten. Okay?«
    Er war noch feucht, aber seine Haut war warm von der heißen Sommerluft; sie schmiegte sich an ihn. Jetzt konnte sie Wärme gut gebrauchen. »Megan hatte recht. Ich habe die Gräber gesehen. So viele …«
    Er streichelte ihr Haar. »Bonnie?«
    »Er hat gesagt, dass sie nicht da ist.« Sie schloss die Augen. »Ich weiß es nicht, Joe. Er lügt …« Nein, das war jetzt Vergangenheit. Er war tot. Sie hatte ihn getötet. »Ich wusste nie, was ich ihm glauben sollte und was nicht. Er wollte mich verletzen. Ich sollte

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