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Die Knochenleserin

Die Knochenleserin

Titel: Die Knochenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Johansen
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den .38er. Obwohl er seine Nachtsichtbrille trug, konnte er nichts sehen, aber er hatte ein leises Geräusch gehört.
    Kistle?
    Aber es konnte ebenso gut Eve sein. Er vertraute nicht darauf, dass sie sich von der Insel fernhielt. Er hatte nur gehofft, er bekäme Kistle zu fassen, bevor Eve etwas unternahm.
    Er musste sich von einer erhöhten Stelle einen besseren Blick verschaffen.
    Er kletterte auf eine Mooreiche, die sich vor ihm erhob. Komm schon, Kistle. Zeig dich.
    Nichts.
    Aber da war etwas.
    Eine Kugel schlug in den Ast neben ihm!
    Von wo? Aus dem Gebüsch zu seiner Linken. Er zielte kurz und feuerte.
    »Ziemlich nah«, rief Kistle. »Sie haben einen guten Riecher, Quinn. Fünf Zentimeter haben gefehlt.« Die letzten Sätze kamen von weiter rechts. Kistle wechselte die Position.
    Joe hangelte sich zum nächsten Baum.
    »Ich habe soeben Eve Duncan kennengelernt. Es war sehr interessant. Ich habe sie erschossen, als sie am Grab ihrer Tochter kniete.«
    Joe erstarrte. Das musste eine Lüge sein. Kistle wollte ihn provozieren, um besser auf ihn zielen zu können. Joe würde es ihm nicht gönnen.
    Kistle lachte in sich hinein. »Sie springen nicht auf den Köder an. Ich habe sie gar nicht getötet. Damit warte ich, bis ich sicher sein kann, dass es mir optimale Befriedigung verschafft. Aber ich glaube, ich gehe jetzt lieber und hole mir Laura Ann. Das wird Eve verletzen. Dann müssen Sie folgen und aus Ihrem Versteck kommen, um das arme Mädchen zu retten.« Seine Stimme wurde leiser. »Zwei für den Preis von einer.«
    Joe fluchte vor sich hin und kletterte vom Baum herunter. Laura Ann war auf der anderen Insel gewesen, also würde Kistle zu der Uferstelle gehen müssen, von wo er übersetzen konnte. Er kannte sich aus und würde sich schnell bewegen können.
    Joe würde allen Fallen aus dem Weg gehen und dennoch äußerst schnell sein müssen.

15
    D a war sie!
    Miguel konnte Laura Ann, die sich im Wasser an den Stamm einer Zypresse klammerte, nur mit Mühe ausmachen. Sie war sehr klein, und der riesige Baum ließ ihren schmächtigen Körper noch winziger erscheinen.
    »Ich komme, Laura Ann«, rief er leise. »Ich sehe dich. Ich bin gleich bei dir.«
    Sie reagierte nicht. Vielleicht hielt sie ihn ja für Kistle.
    »Ich bin Miguel Vicente. Ich bin ein Freund von Eve. Du hast doch mit ihr telefoniert, nicht wahr?«
    Sie antwortete immer noch nicht, aber er meinte sie leise schluchzen zu hören.
    »Ich werde dich aus dem Wasser holen. Aber die Wurzeln an diesem Baum sind so dick, dass ich mit dem Boot nicht bis an dich heranfahren kann. Ich springe jetzt ins Wasser und hole dich.«
    »Spring nicht ins Wasser. Er hört dich.«
    »Wer? Kistle?«
    »Nein.« Sie zeigte auf das Ufer. »Ich hab gehört, wie er ins Wasser gegangen ist. Und ich hab versucht, leise zu sein. Ich kann ihn nicht sehen, aber ich glaub, er beobachtet mich.«
    Verfluchter Mist.
    Laura Ann konnte im Dunkeln nichts sehen, aber er mit seiner Nachtsichtbrille schon. Ein Alligator von mindestens vier Metern Länge lauerte in der Nähe des Ufers. Nur der Himmel wusste, warum er das Kind nicht angefallen hatte.
    »Laura Ann, kannst du auf den Baum klettern?«
    »Ich hab’s versucht, aber ich rutsche immer ab. Der Stamm ist ganz glitschig.«
    Und Miguel würde nicht die Zeit haben, zu ihr zu schwimmen und sie ins Boot zu holen, bevor dieses prähistorische Ungeheuer sich auf sie beide stürzte.
    »Ich werde ins Wasser kommen müssen.«
    »Nein.«
    »Hab keine Angst. Unser hässlicher Freund wird gar nicht merken, dass ich zu dir schwimme.« Das hoffte er zumindest. Er griff nach seinem Messer. »Ich sage dir jetzt, was wir tun werden. Wenn ich bei dir bin, musst du den Baum loslassen. Ich gebe dir einen Schubs an dem glitschigen Teil des Stamms vorbei und werfe dich so hoch, wie ich kann. Dann kletterst du auf den ersten Ast, den du greifen kannst.«
    »Schaff ich das denn?«, fragte sie ängstlich.
    »Ein Mädchen, das es schafft, vor einem bösen Mann wie Kistle wegzulaufen? Natürlich schaffst du das.« Er hoffte bloß, dass er seine Aufgabe mit diesen verfluchten Händen erfüllen konnte. »Aber du musst bereit sein, sobald ich bei dir bin.«
    »Einverstanden.«
    Vorsichtig ließ er sich auf der Seite des Boots ins Wasser gleiten. Kein Platschen. Keine Bewegung im Wasser. Ganz langsam. Und immer dieses dreieckige Maul im Auge behalten, das mit einem Biss den Arm eines Mannes abreißen konnte. Beten. Ja, jetzt half nur noch Beten.
    Ein Meter.
    Zwei

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