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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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Familie, von der leider nicht mehr viel übrig ist, der Erstgeborene.« Dies erklärte er mit stolzgeschwellter Brust. »Ich wüsste nicht, was es daran auszusetzen gibt.«
    »Nichts, außer dass du ein Todfeind bist.«
    »Aber, aber.« Er setzte sein Lausbubenlächeln auf. »Wie sagt man so schön? Wir sitzen im selben Boot. Wenn gleich der Sturm losgeht, wird es dir egal sein, woher ich komme. Und jetzt verrate mir deinen Namen.«
    Ich blickte zum Himmel. Die Sterne funkelten. Meine Wut auf den Knochensammler war schon wieder verflogen, und ich lächelte belustigt. »Cailun. Ich heiße Cailun – du Meister der Wetterkunde auf dem Meer. «
    »Cailun?« Er schien dem Klang des Wortes zu lauschen, als wäre er nicht sicher, ob es sich um eine schöne Melodie handelte oder um einen schrägen Ton. »Ich bin schon weit herumgekommen, aber einen solchen Namen hab ich noch nie gehört.«
    »Er bedeutet Mädchen«, half ich. »Es ist irisch.«
    »Mädchen. Fürwahr, höchst einfallsreich.« Wieder dachte er angestrengt nach und krönte seine Überlegungen mit der Frage: »Was wäre schlimmer? Ein Engländer mit einer Schottin oder ein Engländer mit einer Irin?«
    »Ich verstehe die Frage nicht ganz. Was meinst du mit
mit

    »Nun, wir gehören jetzt zusammen. Das meine ich mit
mit

    »Pffft«, machte ich. »Nur weil wir in diesem armseligen Boot sitzen, gehören wir noch lange nicht zusammen.«
    »Das wirst du gleich sehen«, antwortete er seelenruhig und zurrte den Knochensack mit dem heiligen Donnan von Eigg fest.
    Mich nicht.

    Selbst dem Himmel konnte man also nicht trauen. Mit dem Morgengrauen erschien über dem Meer eine schwarze Wand, die sich näherschlich wie ein heimtückisches Wesen. Eigentlich war es schön anzusehen – das graue Meer unter dem glühenden Licht des beginnenden Morgens auf der einen und dem pechschwarzen Himmel auf der anderen Seite.
    Ich deutete nach vorn: »Ein beeindruckendes Naturschauspiel, hab ich recht?«
    »Fürwahr.«
    Fürwahr.
Dies schien sich zum Lieblingswort des englischen Grabräubers zu mausern. Zunächst machte mich stutzig, dass er die Segelschnur fester packte. Dann wunderte ich mich über seinen starren Blick. Was war auf einmal los? Bisher hatte ihn nichts aus der Ruhe gebracht. Nun zupfte er angespannt am Segel. »Ist etwas nicht in Ordnung?«, fragte ich, bekam aber keine Antwort. »Hat es etwas mit dem Himmel zu tun?«, hakte ich nach.
    »Fürwahr.« Es klang, als wäre die hingemurmelte Antwort nicht für mich bestimmt, sondern für das, was sich am Horizont zusammenbraute.
    Es dauerte nicht lange, und wir bekamen es zu spüren.
    »God save the King.« William der Erste bekreuzigte sich.
    Welch seltsamer Wunsch, zu diesem Zeitpunkt, dachte ich, während der Sturm losbrach und ich Donnan von Eigg beneidete, der festgebunden war. Auch ich malte ein Kreuzzeichen auf meine Brust. Doch ich erbat mir keinen Schutz für einen König, sondern für mein eigenes Leben.
    Die Verwandlungsfähigkeit des Meers war mir bekannt. Oft hatte ich von meinem schmalen Fenster aus zugesehen. Gerade noch ein glitzernder Spiegel, in dem sich der Himmel bewunderte, ein sanftes Plätschern, das dem Ohr schmeichelte – dann, wie aus dem Nichts, ein brüllendes, tosendes, Gischt geiferndes Ungeheuer. Selbst von oben herab aus der Ferne war dies furchterregend genug gewesen. Wenn die Elemente sich in Raserei versetzten, zog ich mir die Decke über den Kopf und betete zu Gott, die See möge die Mauern nicht einreißen und mich verschonen.
    Nun hatte ich zum ersten Mal wirklich Grund, mich vor dem Meer zu fürchten.
    »Festhalten!«, brüllte William der Erste. Im selben Augenblick riss ihm der Sturm die Segelschnur aus der Hand und wirbelte das Segel mitsamt dem kümmerlichen Mast ins tobende Nichts. Wieder schrie er etwas, doch der Sturm brüllte mühelos lauter. Sturzfluten brachen über uns herein, und Wellen, höher als die Klostermauern, stürzten von allen Seiten auf das Boot herab. Wir wurden nach oben katapultiert und von den fliegenden Wellenkämmen wieder hinab ins Bodenlose geschleudert. Abwechselnd betete, schrie und fluchte ich. »Ave Maria, du bist gebenedeit unter den Weibern! Gottverflucht, William du Hurensohn! Bitte, ich will nicht sterben! Warum habe ich nur nicht auf Vater gewartet, bis er mich holt! Vater unser im Himmel …!«
    William der Erste kämpfte tapfer, das musste man ihm lassen. Wenn Wut und Panik in mir kurz innehielten und ich etwas anderes wahrnahm als den

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