Die Knochentänzerin
verstorben ist.«
Parler unterließ die Bemerkung, dass er dieses Bedauern nicht unbedingt teilte. Erst durch das Dahinscheiden des Franzosen bot sich für ihn diese einzigartige Möglichkeit.
Karl fuhr fort: »Er war ein großartiger Architekt, den ich damals schon meinem Vater empfahl, als dieser noch lebte. Der Dom hier auf dem Hradschin sollte nach dem Vorbild der Kathedralen von Narbonne und Rodez gebaut werden. Das war der Wunsch meines Vaters, und dafür gab es keinen Besseren als Matthias von Arras. Bestimmt habt Ihr die Baustelle bereits besichtigt.«
»Jawohl, Majestät«, bestätigte Parler, der durch das freundliche Auftreten des Monarchen langsam seine Sicherheit zurückgewann. »Der Abschluss des Chores mit den Arkaden, der Wandelgang und die Kapellen sind nahezu fertiggestellt.«
»Fünf an der Zahl«, nickte Karl.
»Außerdem der gesamte östliche Teil des langen Chors.«
»Jawohl. Deshalb habe ich Euch im Vorfeld Skizzen von diesem Grundriss erstellen lassen. Sonst hättet Ihr möglicherweise Eure Pläne auf einem völlig anderen Fundament erstellt – habe ich recht?«
Peter Parler war versucht, dem Kaiser von seinen eigenen Ideen bezüglich eines Grundrisses vorzuschwärmen. Doch er mahnte sich zu Zurückhaltung. Da die Form des Doms nun einmal feststand, ergab es keinen Sinn, die Vorzüge von etwas anderem in den Himmel zu loben, und wenn es noch so verlockend war. Also folgte er dem Kaiser zum Tisch und stand eine Weile schweigend neben dem Monarchen, der die Pergamente aufmerksam studierte. Immer öfter nickte er dabei zustimmend. Nun deutete er auf eine besonders feine Zeichnung: »Dieses Gewölbe sieht wundervoll aus. So etwas habe ich, ehrlich gesagt, noch nie gesehen. Erklärt es mir.«
Peter Parlers Gesicht glühte vor Stolz und schon sprudelte es aus ihm heraus: »Majestät, dies ist eine völlig neue Art von Gewölbe. Das gibt es noch nirgendwo, nur hier – und hier«, er deutete zuerst auf seine Stirn und dann auf den Plan. »Aber wenn Ihr erlaubt, werdet Ihr der Erste sein, dem ich es baue. – Alle gegenwärtigen Baumeister vertrauen die Last einer Decke einem Kreuzgewölbe an. Sie sehen keinen Grund darin, Bewährtes zu verwerfen. Majestät, ich bin da anders. Ich stelle Althergebrachtes in Frage, nicht aus Prinzip, sondern um bessere, schönere Lösungen zu finden. Und glaubt mir, dies ist mir in diesem Fall gelungen. Wie Ihr seht, ist meine Konstruktion viel feiner, viel filigraner. Ich nenne sie Netzgewölbe, denn die Streben sind so fein, dass das Ganze aussieht wie ein Spinnennetz. Das Gewölbe trägt natürlich trotzdem die Last – sogar besser noch –, auch wenn man es zunächst nicht glauben will; aber es ist eine einfache Rechnung.«
»Weil es so viele Streben sind.« Der Kaiser beugte sich weiter vor, um besser zu sehen, und winkte den Bischof heran. »Wirklich beeindruckend. Meint Ihr nicht auch?«
Der Geistliche trat mit an den Tisch. Es war bekannt, dass der Kaiser, im Gegensatz zu seinen Vorgängern, aktiv Kirchenpolitik betrieb. Dabei nutzte er das Provisionsrecht, das ihm Papst Clemens IV., sein einstiger Weggefährte, in Avignon verliehen hatte. Dies besagte nichts anderes, als dass Karl die böhmischen Bischofsstühle selbst besetzen konnte. Er machte von diesem Recht großzügig Gebrauch und schaffte sich somit eine Reihe von ihm ergebenen Kirchenmännern. Bei dem Geistlichen, der sich neben seinem Herrn über die Pläne beugte, handelte es sich um einen seiner engsten Vertrauten: Albert von Sternberg.
Parler musterte den Bischof unruhig aus den Augenwinkeln. Der galt als ebenso scharfsinnig wie scharfzüngig. Im Gegensatz zu anderen Kirchenmännern in der Riege des Kaisers verbarg er seine Ansichten nicht in kryptischem Geschwafel. Selbst schmerzhafte Wahrheiten sprach er ohne Umschweife oder Beschönigung aus. Nun heftete er den klaren Blick seiner grauen Augen für einen Moment auf Parler, um sie dann gleich wieder zu den Plänen zurückkehren zu lassen. Er deutete auf das nächste Pergament: »Hier habt Ihr eine Innenansicht gezeichnet. Bitte erklärt mir die Skizze.«
»Die Grabkapelle des heiligen Wenzel.« Parlers Hand vollführte über der Zeichnung unsichere Bewegungen. »Ich möchte an den Wänden Malereien anbringen lassen. Diese werden mit mosaikartigen Einlegearbeiten von Halbedelsteinen gefüllt. Stellt Euch vor, wie das Kerzenlicht von den Steinen reflektiert wird. Das verleiht dem Raum etwas Geheimnisvolles, Feierliches und
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