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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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Dann zischte er kaum hörbar: »Bleib unten.«
    »Warum denn?«, fragte ich und schaffte mühelos die letzte Körperlänge bis zum Klippenrand. So wie er stemmte ich mich hoch.
    Das, was ich oben sah, jagte mir eiskalte Schauer über den Rücken.

8
    Faliero macht Pläne
    S ignore Guglielmo Oradini, Patrizier und Mitglied der
signoria,
war klein gewachsen und hatte etwas von einem Hund. Dies lag nicht allein an seiner länglichen Nase und der fliehenden Stirn unter dem schütteren Haarschopf. Das Hündische offenbarte sich in seinen Bewegungen und seiner Mimik. Wenn er ging, hielt er den Kopf gesenkt und den Oberkörper nach vorn gebeugt, als folge er einer Fährte. Sprach man zu ihm, blickten seine braunen Augen treu und unterwürfig, beim Reden hingegen hob er die Nase und bewegte den Kopf leicht hin und her, was so aussah, als schnüffle er.
    Oradini liebte es, seinen Reichtum zu zeigen. Seine Finger protzten mit Ringen, die Schnabelschuhe waren mit Edelsteinen besetzt, der Mantel mit goldenen Fäden durchwirkt und von einer teuren Spange zusammengehalten. Er verströmte Lilienduft. Auch betonte er gern, dass er nicht den
cittadini,
der Gilde der reichen Kaufleute, angehörte, sondern echtem venezianischem Adel, genannt
nobiluomini.
Auf den ersten Blick wirkte er friedfertig und harmlos – ein Hündchen. Doch hinter der Fassade lauerte ein Wolf. Kannte man ihn, traute man ihm nicht.
    Als er Falieros Haus betrat, kam ihm die Dirne Felicia entgegen. Nichts deutete darauf hin, dass sie gerade mit dem Hausherrn im Bett gewesen war. Die weiße Schminke wirkte wie eben erst aufgetragen, das Rot der Lippen glänzte frisch, die hochgesteckten Haare unter dem Seidentuch konnten nicht tadelloser frisiert sein. Im Hinausgehen tätschelte sie mit einem vieldeutigen Lächeln Oradinis von einer scharfen Rasur gerötete Wange.
    Faliero empfing ihn mit ausgebreiteten Armen, als sei ein totgeglaubter Freund zurückgekehrt: »Guglielmo,
amico mio
, welch Freude, dass du meinem Haus die Ehre erweist. Wie geht es dir? Und wie ist das Befinden der werten Gemahlin? Ist sie wohlauf?«
    Oradini ergab sich der Umarmung. Er roch das Parfüm der Hure. Faliero war mehr als einen Kopf größer als er und hörte nicht auf, seine Schulter zu klopfen. Als er Oradini endlich wieder freigab, hüstelte dieser und antwortete: »Bestens, alles bestens. Danke der Nachfrage.« Er hob die Hand vor den Mund und grinste verschwörerisch. »Du hattest Besuch?«
    Faliero brummte etwas, dann läutete er mit einem goldenen Glöckchen. Der bullige Diener erschien, das Tablett mit der Weinkaraffe und den Gläsern sah in seinen riesigen Händen winzig aus. Faliero schnippte mit den Fingern, und der Lakai stellte das Tablett auf ein Tischchen mit Schachbrettmuster in Elfenbein und Ebenholz. Er goss roten Wein in die Gläser, reichte eines davon dem Gast, das andere seinem Herrn, dann zog er sich zurück.
    Oradini hob das Glas. »Worauf stoßen wir an? Auf unseren neuen Dogen, Pietro Dandolo?«
    »Ja, lass uns auf Dandolo anstoßen«, antwortete Faliero. »Ein Trinkspruch auf ihn: Der Teufel soll ihn holen. Und das möglichst bald.«
    Die Gläser klirrten. Oradini leerte sein Glas auf einen Zug. Er wischte sich über den Mund und sagte: »Darauf würde ich mich nicht verlassen.«
    »Dass ihn der Teufel holt? Darauf
werde
ich mich nicht verlassen.«
    Oradini schielte nach der Karaffe. Es entsprach seiner Art, Gedanken oder Wünsche nicht direkt zu äußern. Stattdessen kreiste er darum herum wie eine Möwe und erging sich erst einmal in Andeutungen. »Ein wunderschönes Weingefäß hast du da. Es geht eben nichts über Muranoglas.«
    »Die Karaffe ist aus Konstantinopel.«
    »Tatsächlich? Das ist bedenklich. Am Ende haben die Türken das Geheimnis unserer Kunst ausspioniert und gestohlen!«
    »Nein. Manche von ihnen sind nur selbst auch sehr begabt.«
    Oradini spazierte zu einem viereckigen mit Wasser gefüllten Glaskasten am anderen Ende des Salons. Versonnen betrachtete er die Muränen darin, die Faliero mit Goldschmuck und Edelsteinen behängt hatte. Nun drehte er sich wieder zu seinem Gastgeber. »Ich überlege gerade, woher der Wein ist. Jedenfalls nicht aus Konstantinopel.«
    Faliero lachte geziert, griff nach der Karaffe und goss nach. »Der Wein ist aus Sizilien. Die Türken sind gute Handelspartner, aber man muss nicht gleich alles übertreiben. Spätestens beim Wein hört der Spaß auf.«
    Oradini hob das Glas und schnüffelte. Dann schlürfte er

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