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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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Handbewegung fortwinkte, bevor er zu mir trat, mich grob am Arm packte und zischte: »Bist du verrückt?«
    »Ich hab mich verlaufen«, gab ich kleinlaut zurück, unendlich froh, ihn zu sehen.
    »Du solltest das Kloster gar nicht verlassen.« Mit dem Handrücken stieß er gegen meinen Leib. »Und was ist damit?«
    Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, was er meinte. Doch dann weckte seine Grobheit den Trotz in mir, und ich keifte: »Ich habe keine Lust, für dich die Schwangere zu spielen. Und überhaupt – wer waren die beiden Gestalten, mit denen du dich hier herumtreibst?«
    »Herumtreibst?« Geheuchelte Entrüstung stand ihm ins Gesicht geschrieben. »Das sind Freunde! Hast du vergessen? Ich bin Reliquienhändler. Ich muss Geld verdienen, damit
du
etwas zum Essen hast und ein Dach über dem Kopf. Während du dich herumtreibst und ohne mich nicht einmal zurückfinden würdest, knüpfe ich wichtige Geschäftsbeziehungen! Sei froh, dass dich der Zufall hier in meine Arme getrieben hat.«
    »Es gibt keinen Zufall«, gab ich kämpferisch zurück. »Gott der Herr bestimmt über unser Geschick.«
    »Papperlapapp«, erwiderte William, nahm meinen Ellbogen und schob mich unsanft vor sich her durch die wogende Menge.

23
    Rodrige Hags
    D u musst mir ordentliche lateinische Dokumente schreiben.«
    »Dokumente?« Ich ritt in Gedanken noch den Wind, und statt einer Antwort fragte ich abwesend: »Was heißt:
rodrige Hags

    William bedachte mich mit einem jener Blicke, die bekunden, wie beklagenswert er sei, dass er sich mit einer gälischen Nonne irischer Abstammung abgeben musste, die es nicht zustande brachte, einer einfachen Aufforderung nachzukommen. Dabei hatte er bei unserer Rückkehr ins Minoritenkloster einmal mehr Geistesgegenwart bewiesen. Erschrocken mussten zuerst ich und dann er feststellen, dass die Augen der versammelten Mönche zunächst verwundert zu meinem Bauch, dann zueinander und schließlich wieder zu meinem flachen Leib gewandert waren.
    »Du musst jetzt tragisch schauen«, hatte William gezischt und mir dabei den Ellbogen in die Seite gerammt. Seine aufgesetzte Mimik war wölfisch, und er erläuterte den Brüdern mit gespielt zitternder Stimme auf Latein: »Mein Weib hatte eine Fehlgeburt, doch der Herr ist mächtig, er allein kennt seine verschlungenen Pfade, er hat unser Kind zu sich gerufen, bevor es das Licht der Welt erblicken durfte. Es ist jetzt im Himmel im Kreise der Seligen.«
    »Konnte es denn noch getauft werden?« Ein Minorit mit einem Kinn wie ein normannischer Rammbock hatte selbiges misstrauisch vorgeschoben.
    »Gott der Allmächtige ließ uns in seiner Gnade in dieser uns fremden Stadt eine umsichtige Wehmutter finden. Sie schickte sofort nach einem Priester, als sie den Zustand meines Weibs erkannte.«
    »Wo ist das Totgeborene jetzt?«
    »In geweihter Erde.« William brachte tatsächlich eine Träne dazu, aus dem Augenwinkel seine Wange hinabzurinnen. »Der winzige Sarg, das kleine Grab … Es war ein schrecklicher Moment für mich und mein Weib. Doch der Herr nimmt sich der Seele unseres Kindes an.« Er schluchzte auf:
»Requiescat in pacem.«
    »Amen«, echote der Minoritenchor von den Wänden des Refektoriums.

    »Hörst du nicht? Ich brauche saubere lateinische Dokumente«, wiederholte William mit Ungeduld.
    »Was?« Gedankenverloren strich ich über meinen flachen Bauch.
    »Dokumente! Referenzen!« William wedelte mit den Händen. »Sitzt du auf dem Turm von Babylon, dass du meine Sprache nicht mehr verstehst? D o k u m e n t e!«, buchstabierte er und sein Gesicht bekam eine cholerische Färbung, die ich bis dato noch nie bei ihm gesehen hatte.
    »Wozu?«
    Er begann, in einem Sack zu wühlen, wobei es ausnahmsweise darin nicht klapperte und rasselte. Statt Knochen kramte er eine purpurne, goldgesäumte Toga hervor. Er hielt das Prunkgewand ins Licht und erklärte mit zusammengekniffenen Augen: »Zur Audienz.«
    »Aha«, bestätigte ich verständnislos und deutete auf den Umhang. »Und was ist das?«
    William seufzte schwer über sein Los, es mit einer Begriffsstutzigen zu tun zu haben. »Nun gut. Ich werde dir alles so erklären, dass selbst du es verstehst.«
    »Kein Grund, beleidigend zu werden.«
    »Wie schon gesagt«, fuhr William ungerührt fort, »ich habe Geschäftsbeziehungen geknüpft. Das heißt, meine Freunde haben sich dabei als äußerst hilfreich erwiesen.«
    »Freunde?« Diese zwei zwielichtigen Gestalten? Wir waren noch keinen Tag in der Stadt, und William

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