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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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müssen. Hier waren die Wände weiß gekalkt, und statt einer zugigen Schießscharte, durch die der Sturm den Regen wehte, verfing sich das Licht der Abendsonne in einem echten Glasfenster. Der Boden in meinem Konvent hatte aus festgestampftem, strohbedecktem Lehm bestanden, die Minoriten konnten sich blankpolierte Steinfliesen leisten. Die Strohsäcke waren nicht klamm, sie lagen auf hölzernen Bettgestellen. Die Mönche hatten Schalen mit duftenden Kräutern aufgestellt. Auch wenn es mir widerstrebte, musste ich zugeben, dass Williams Wahl des Minoritenklosters klug gewesen war. Das Kloster war sauber, ruhig – bis auf eine glotzende und hustende Tumbe auf ihrer Bettstatt in der Ecke, die andere hatte das Hospiz offensichtlich verlassen –, und es bot Schutz, nicht nur vor den Unbilden des Wetters, sondern auch vor Räubern und anderem Gesindel. Zudem wurden uns Dach, Bett und Brot unentgeltlich gewährt. Eigentlich hätte ich zufrieden sein sollen. Doch ich war es nicht – ganz und gar nicht. Lag es an Williams Lüge, dem Schal auf meinem Leib, der erschlichenen Gastfreundschaft? Oder ärgerte es mich, dass er ohne mich losgezogen war? Jedenfalls riss ich mir wütend den Schal vom Leib, dann stampfte ich an einer verwundert blickenden Verwirrten vorbei aus dem Hospitium und gelangte dank eines eingenickten Pförtners ungesehen auf die Gasse vor dem Kloster.
    William und ich waren von links nach Sankt Minoriten gekommen, also wandte ich mich nach rechts. Was ich außerhalb des Klosters wollte, wusste ich selbst nicht so recht, denn, wenn ich ehrlich war, William in diesem Trubel zu finden, konnte kein ernsthaftes Ansinnen sein. Selbst in den engen Gassen, durch die ich lief, stauten sich die Fuhrwerke, als Fußgänger musste man beinahe über die Wagen klettern und dabei seinen Weg noch mit einem Haufen ungeduldiger, lauter, ja oft streitender oder sich anschreiender Kölner Bürger teilen. Eh ich mich’s versah, fand ich mich an besagter Mauer wieder, die sich halbkreisförmig um allesamt kirchliche Liegenschaften mit Gotteshäusern, Klostergebäuden und Ländereien inklusive Obst- und Rebgärten schloss. Mit offenem Mund bestaunte ich die Anwesen und näherte mich dann der Stadtmauer. Eine mächtige Torburg, flankiert von zwei nicht minder eindrucksvollen Wehrtürmen weckte meine Aufmerksamkeit. Die Stadt musste schlimme Feinde haben, die es abzuwehren galt. Vielleicht wusste man aber auch nicht, wohin mit all dem Reichtum, den man sicher auf den Märkten und mit Handel scheffelte. Oder traf beides zu?
    Möglicherweise gab es jedoch weitere Gründe dafür, dass Köln sich mit einer wehrhaften Mauer umgab. An der Torburg jedenfalls war ein deftiger Streit im Gange. Die Beteiligten waren zwei Stadtwächter in rot-weißen Röcken, mit Helmen und Hellebarden, deren Spitzen auf einen Kaufmann deuteten, dessen Gesicht vor Zorn rot angelaufen war und der, während er die Wachen anbrüllte, ständig in Richtung seiner stattlichen Wagenkolonne fuchtelte. Ich verstand natürlich kein Wort, doch so viel war klar: Der Kaufmann wollte in die Stadt, die Wächter verwehrten ihm dies. Soweit ich die Sachlage beurteilen konnte, trug die Lautstärke der vom Kaufmann vorgetragenen Argumente wenig dazu bei, die Torwächter umzustimmen. Auch hatten beide Parteien ein ähnliches Problem wie ich: Sie beschimpften einander in unterschiedlichen Sprachen. Dabei kam das Geschrei des Händlers jenem Latein, das ich in Icolmkill gelernt hatte, erstaunlich nahe. War er Römer? Oder Lombarde? Die Kölner Wächter jedenfalls waren kurz davor, von ihren Piken tatsächlich Gebrauch zu machen. Hilfe nahte in Gestalt eines Kapuzinermönchs. Er hatte eine Weile interessiert gelauscht, nun nickte er mit schwerem Haupt, dabei sah ich die gerötete Haut seiner frisch ausgeschabten Tonsur. Mit erhobenen Händen – als gelte es, ein Fuhrwerk einzuweisen – stellte er sich zwischen die Streithähne und befragte zunächst die Torwächter. Wieder hob und senkte sich gewichtig sein Haupt. Dann wandte er sich an den Kaufmann, aus dem sofort ein Wortschwall hervorbrach, als wolle er den Mönch davonschwemmen. Der Kapuziner war die Ruhe selbst. Er wartete geduldig ab, bis der Händler Luft holen musste, und erklärte dann in schönstem Latein, so dass ich jedes Wort verstand: »Guter Mann, es geht hier um das Stapelrecht.«
    Der Händler gestikulierte wild.
    »So beruhigt Euch doch erst einmal.« Die Sanftmut des Kapuziners übertrug sich auf den

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