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Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Siegel
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einem gerade zuhört. Wohnt Ihr in einer Herberge?« Henri nickte.
    »Dann lasst uns Euer Gepäck dort abholen. Ihr wohnt natürlich bei uns.«
 
    Nachdem sie sich eingerichtet hatten, suchte Karl mit Rochus ein nahe gelegenes Bad auf, um Vater und Tochter Zeit zu geben, sich wieder aneinander zu gewöhnen. So glücklich Henri auch darüber war, seinen kleinen Liebling wiedergefunden zu haben, so sehr schmerzte ihn die Ähnlichkeit, die Marie mit ihrer verstorbenen Mutter hatte. Marie war nun etwa im gleichen Alter, wie Catherine bei ihrer Hochzeit. Ihre Augen waren vom gleichen Blau, und auch das blonde Haar hatte sie von der Mutter geerbt. Henri musste sich einen Ruck geben, Catherine zu verdrängen, um sich ganz der wiedergefundenen Tochter zu widmen.
    »Erzähle, mein Kind«, forderte er sie auf. »Waren die Nonnen recht streng mit dir?«
    »Sie ließen sich nicht auf der Nase herumtanzen, wenn Ihr das meint«, sagte Marie, »aber wenn man ordentlich gelernt und gehorcht hat, war das Leben dort nicht so schlecht. Trotzdem – kaum war ich einen Tag aus dem Kloster weg, wollte ich auf keinen Fall mehr zurück. Zum Glück hat Charles dafür gesorgt, dass ich bei Franziskas Eltern bleiben konnte.« In aller Kürze erzählte sie ihm, wie es ihr selbst und Franziskas Familie in der Folgezeit ergangen war, von den schönen Zeiten in Nürnberg, den zwei Jahren im Dienst der Königin und schließlich von der Flucht nach Venedig. Henri war stolz auf seine Tochter. Sie war eine unabhängige, junge Frau geworden.
 
    Karl bestellte in einer beliebten Garküche ein feines Nachtmahl aus gebratenem Geflügel, eingelegtem Gemüse und einer pikanten Fischsauce, einer besonderen Spezialität, die der Wirt gern in die Wohnung bringen ließ, nachdem er Karls Silbermünzen in seine Tasche hatte gleiten lassen. Nach dem Essen saßen sie noch lange an der abgeräumten Tafel und sprachen über die vergangenen Jahre.
    Nachdem Marie sich vergewissert hatte, dass noch genügend Wein auf dem Tisch stand und es den Männern auch sonst an nichts mangelte, zog sie sich schließlich als Erste zurück.
    Als die drei Männer unter sich waren, sah Henri Karl lange in die Augen. Schließlich begann er zu sprechen: »Dass du ein pfiffiger Bursche bist, mein Prinz, war schon in Akkon nicht zu übersehen. Nach dem heutigen Tag und unseren Gesprächen muss ich sogar gestehen, dass du einer der klügsten Köpfe bist, die mir jemals begegnet sind. Ich bin sehr stolz auf dich, Charles, und ich stehe tief in deiner Schuld, dass du Marie zu einem glücklichen Leben verholfen hast.« Verlegen senkte Karl den Blick. Eine derartige Ansprache hatte er zu dieser Stunde von seinem Stiefvater nicht erwartet. Er wunderte sich nur, warum Rochus Henri schon die ganze Zeit verstohlene Blicke zuwarf und vor sich hin grinste.
    »Aber Augen«, sagte Henri und kämpfte nun ebenfalls mit dem Lachen, »Augen, mein Sohn, hast du keine im Kopf. Oder bist du dann und wann doch etwas schwer von Begriff?« Verwundert sah Karl vom einen zum anderen und wusste noch immer nicht, was sie eigentlich von ihm wollten. Nach der ersten überschäumenden Freude des Wiedersehens und der Aufregung des Nachmittags waren den beiden erfahrenen Männern die heimlichen Blicke, die wie zufälligen Berührungen und der Schatten in Maries Blick, wenn Karl etwas Gefährliches aus der Vergangenheit erzählte, nicht entgangen. Henri kannte das Gefühl, von einer Frau geliebt zu werden, und die Erinnerung daran war neben dem Wunsch, seine Kinder wiederzusehen, die treibende Kraft seiner letzten zehn Jahre gewesen. Karl schien in dieser Hinsicht ein wenig unbedarft zu sein. Oder sah er in der voll erblühten jungen Schönheit wirklich nur die kleine Stiefschwester?
    »Es ist ein großes Geschenk, das Herz einer Frau zu gewinnen, mein Sohn. Denk darüber nach!«
    Karl spürte, wie er errötete. »Ihr denkt doch nicht etwa … Ich … nein … habe nie … Bitte glaubt mir … kein einziges Mal …«, stammelte er.
    »Ich weiß, mein Sohn, ich weiß«, sagte Henri lächelnd. »Ich will nur, dass du dir überlegst, was du im Leben wirklich möchtest. Hör auf dein Herz und du wirst die richtige Entscheidung treffen.« Er nahm einen Schluck aus seinem Becher und goss sich und den beiden anderen Männern nach. Karl schwieg. War es das gewesen, das all die letzten Jahre in ihm gearbeitet hatte, wann immer er an Marie und ihre Zukunft dachte? Das Unbehagen, das ihn überkam, wenn von einer Heirat

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