Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Thron.
Nachdem es Chalil gelungen war, aus seinem Vetter, den er noch nie gesehen hatte, einen bekannten Mann zu machen, begann er, an dessen Vermögen zu arbeiten, indem er einen kräftigen Teil des Gewinns, den er selbst mit Franziskas Knöpfen und Kleidern und seinen eigenen Geschäften erzielte, über ein Florentiner Bankhaus nach Ägypten leitete. Auch den Löwenanteil von Zacharias' Nachlass und die von Franziska zur Verfügung gestellte Summe würde er dem Sultan zukommen lassen. Er sollte Männer, Waffen und was er sonst noch für einen Umsturz in seinem Land benötigte, beschaffen. Chalil betrachtete dies als kluge Investition, für die sich sein Vetter vielleicht später mit der einen oder anderen Handels- oder Banklizenz bedanken würde.
Die Abenddämmerung setzte ein, und er entzündete die Kerzen auf seinem Tisch. Marie würde hoffentlich bald wieder hier sein. Natürlich hatte er sie nicht ohne Begleitung gehen lassen, dennoch waren die dunklen Gassen Wiens gefährlich, auch wenn der Weg zur Burg nicht weit war. Die Näherin und der fröhliche Trudbert, die seit einiger Zeit mit ihnen reisten, hatten die Kleider, die Franziskas Werkstatt nach den aufgezeichneten Maßen Blanches gefertigt hatte, mehrmals geändert, und unter der Aufsicht Maries sollten sie der Prinzessin nun endgültig angepasst werden. Blanche war erschreckend mager und blass geworden und hatte in den vergangenen Monaten zahlreiche Unpässlichkeiten über sich ergehen lassen müssen. Vor einem knappen Jahr hatte sie eine Fehlgeburt erlitten und war danach nicht mehr wieder richtig auf die Beine gekommen. Albrecht wartete daher noch immer auf den ersehnten Enkel.
»Es ist so schrecklich«, schluchzte Marie, als sie wenig später in den Raum stürmte und sich in Chalils Arme stürzte. »Sie war noch so jung … und so schön … und ausgerechnet heute …« Sie weinte und weinte, während Chalil ihr beruhigend den Rücken tätschelte. Sie wirkte erschöpft und überanstrengt. Der Tag hatte bereits schwer für sie begonnen. Am Morgen hatte sie der Königin ihre Aufwartung gemacht und sich für ihre Flucht vor über vier Jahren bei ihr entschuldigt. Sie erklärte ihr, dass der Prinz um sie angehalten hatte, nachdem er von ihrem Vater von seiner tatsächlichen Herkunft erfahren hatte, dass diese Verlobung sowie seine wahre Identität zu diesem Zeitpunkt jedoch noch geheim gehalten werden mussten, um den Aufbau seiner Mission in Europa nicht zu gefährden. Huldvoll hatte die Königin ihr verziehen, da Albrecht ebenfalls schon dem Sultan seine Freundschaft angeboten und zugesichert hatte. Nach diesem Gang wollte sie Blanche aufsuchen und die Übergabe und etwaige Änderung der Kleider überwachen, so hatte sie es mit Blanches Truchsess vereinbart. Doch die Frau Rudolfs war abermals erkrankt und zu schwach, um Besuch zu empfangen. Man ließ Marie warten, bis am späten Nachmittag die Kunde durch die Burg ging, dass der königliche und der herzogliche Haushalt in Trauer seien, da Gott die junge Frau zu sich gerufen hatte.
»Verstehst du … dieses Bündnis zwischen den beiden Reichen, es ist doch jetzt auch hinfällig. Und Louis …«
Chalil hielt seine Frau fest umarmt. Als das Schluchzen nachließ, setzte er sie in einen gepolsterten Sessel und legte eine Decke um ihre Schultern. Er ging nach draußen, um ihre Dienerin nach heißem Würzwein zu schicken.
»Was soll Louis denn schon geschehen?«, sagte er schließlich. »Er hat sein Lehen, das kann man ihm doch nicht so einfach wegnehmen.«
»Natürlich nicht, aber du weißt doch, wie unglücklich er war, als wir ihn in Paris getroffen haben.«
Sie hatten ein Jahr zuvor Frankreich bereist und in Paris Mitglieder der königlichen Familie und der hohen Geistlichkeit getroffen. Bei einem Festmahl hatten sie endlich Louis wiedergesehen, der in Begleitung seiner Gattin erschienen war, die sich sichtlich geehrt zeigte, dass ihr Gemahl nun mit dem ägyptischen Königshaus verwandt war. Es war nicht zu übersehen gewesen, dass Louis und Éléonore keine glückliche Ehe führten. Sie behandelten einander zwar höflich und respektvoll, doch Herzlichkeit und Fröhlichkeit sah Marie bei der jungen Frau erst, als Éléonore sich später ungezwungen mit alten Freunden aus der französischen Nobilität unterhielt.
*
Philipp hatte die Nachricht vom Tod der Halbschwester ohne sichtliche Regung aufgenommen und sogleich seine private Kapelle aufgesucht, um den Rest des Tages und die folgende
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