Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
kurzen Untersuchung und einer Intervention des Bischofs wurde die Schandtat den vielen undurchsichtigen Gestalten im Hafen zugeschoben, die eine Frau von Stand berauben wollten. Man händigte Rochus auf sein Ersuchen hin die Tatwaffe aus und schloss den Fall. Catherine wurde auf dem Friedhof der Bischofskirche beigesetzt, als Ehrerbietung für die Verdienste und den Rang ihres Gemahls. Selbst der König bedauerte das Verbrechen.
Der Schmerz der Kinder war unermesslich. Louis versuchte, sich in der Öffentlichkeit und bei der Beerdigung nichts anmerken zu lassen, doch als er vor dem Sarg stand, war auch er nicht mehr Herr über seine Tränen. Sein Adoptivbruder Charles blieb gefasst, sein Gesicht reglos wie eine Maske. Er trug den Schmerz alleine mit sich selber aus, kümmerte sich jedoch rührend um die kleine Marie, die er nicht mehr aus den Augen ließ.
Marie traf der Tod der Mutter am schlimmsten. Sie weinte und weinte, suchte Halt bei Louis und Charles, wollte nicht mehr alleine in einem Zimmer und schon gar nicht im Dunkeln bleiben.
Rochus tat alles, was in seiner Macht stand, um seinen Schutzbefohlenen zur Seite zu stehen. Der bischöfliche Rat setzte ihn zum Interimsvormund der Kinder ein, und er gelobte, die Verantwortung für sie zu übernehmen. Er wusste, dass sie nicht auf Zypern bleiben konnten, sondern so schnell wie möglich nach Europa gebracht werden mussten. Er studierte sämtliche Papiere der toten Eltern und las die Empfehlungsschreiben an die verschiedenen Ritter, die Henri für die Ausbildung seines Ältesten ausgewählt hatte. Neben Briefen auf Französisch war ein einziges Schreiben an einen deutschen Ritter abgefasst, genau genommen an einen deutschsprachigen Böhmen. Ein tiefes Seufzen entrang sich Rochus' Brust, als er den Namen las. Ausgerechnet der einzige Mann, zu dem er selbst nicht gehen konnte, der ihn nicht zu Angesicht bekommen durfte, sollte Louis' Dienstherr werden. Lebte der alte Siegfried überhaupt noch? Rochus überlegte, wie alt er jetzt wohl sein musste.
Und dann gab es schließlich noch diesen Bero von Restwangen, der Akkon wahrscheinlich nicht überlebt hatte. Obwohl sie beide unter Henris Befehl standen, hatte er bisher kaum ein Wort mit ihm gewechselt. Als ehemaliger einfacher Mönch war er dem jungen Edelmann nicht ebenbürtig gewesen. Was Catherine wohl gemeint hatte, als sie ihm Beros Namen als letztes Wort ins Ohr hauchte. Wollte sie, dass Bero sich der Kinder annahm? Sie in sein Elternhaus brachte? Schließlich diente Bero im Stab ihres Gemahls und der hatte ein Empfehlungsschreiben an den Ritter Siegfried von Restwangen verfasst. Einige Tage lang hatte er den Verdacht gehegt, dass Bero Catherine den Dolch in den Leib gerammt hatte und sie den Namen ihres Mörders preisgegeben hatte, doch das konnte ja keinesfalls zutreffen, schließlich war Bero nach Akkon zurückgekehrt und wohl seinem Schlachtentod entgegengereist.
*
Als Henri aus seiner Ohnmacht erwachte, stellte er erleichtert fest, dass ihm die schwarz gekleideten Männer des Sultans nicht den Kopf von den Schultern geschlagen hatten. Der Kopf und alle Knochen hatten geschmerzt, als er sich mühsam aufrichtete. Man war beim Transport in den Kerker nicht allzu sanft mit ihm umgesprungen. Das Gefängnis war behelfsmäßig im Mameluckenlager errichtet worden und sah wie ein großer Tierkäfig aus. Man hielt ihn dort eingeschlossen, gab ihm hin und wieder zu essen und genoss es offensichtlich, dass er den Fall seiner Festung aus nächster Nähe beobachten musste. Er wusste nicht, ob er als Geisel festgehalten wurde oder ob man ihn zur Feier des Sieges in aller Grausamkeit hinrichten wollte. Hoffnungen, den Mamelucken zu entkommen, machte er sich nicht.
Als der Feldzug beendet war, brachte man ihn nach Kairo und warf ihn in ein finsteres Kerkerloch, in dem er die folgenden zwei Jahre verbrachte. Er wurde ausreichend verpflegt und hatte sogar Gesellschaft. Zwei frühere politische Mitarbeiter des verstorbenen Sultans Qalawun, die sein Sohn und Nachfolger Chalil hatte inhaftieren lassen, aber entweder noch benötigte oder schlichtweg vergessen hatte, teilten seine Gefangenschaft. Sie vertrieben sich die Zeit mit gegenseitigem Sprachunterricht und dem Schachspiel, das die beiden Orientalen meisterhaft beherrschten. Im Jahr 1293 schließlich starb Chalil, und sein kleiner Bruder Mohammed an-Nasir wurde auf den Thron gesetzt. Seine Regenten, die noch am Tag seiner Thronbesteigung um ihre Vorherrschaft stritten,
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