Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
auf.
Eines Tages stand plötzlich der treue Rochus vor ihm. Dieser war nie sesshaft geworden, wanderte noch immer zwischen den Ländern Europas und des Ostens und wurde nun zu Henris persönlichem Nachrichtendienst. Er berichtete ihm vom Mord an Catherine, der Henri tief erschütterte, aber auch von der prächtigen Entwicklung der Kinder. Sogar von der Ehe seines Sohnes Ludwigs hatte er erfahren.
»Wie kamt Ihr nach Venedig?«, fragte Karl schließlich.
»Ich bin auf einer schwierigen Mission«, sagte Henri und sah seinen Ziehsohn ernst an. »Der Sultan und ich haben einen geheimen Plan, und ich bin heimlich und unerkanntaus Kairo verschwunden. Dein Vetter ist in einer beklemmenden Lage. Er ist ein Prachtbursche, so klug wie du und genauso einfallsreich. Ihr seid auch etwa gleich alt. Schon seit er als Junge den Thron bestieg, wollte er Reformen einführen, Steuern nicht nur von den Tagelöhnern, Bauern und Kaufleuten einnehmen, sondern auch die Grundbesitzer und den Adel zur Kasse bitten. Ihr könnt Euch vorstellen, wie zuträglich das seiner Beliebtheit in den einflussreichen Kreisen war. Bereits ein Jahr nach seiner Inthronisierung setzte man ihn daher wieder ab, und die Emire übernahmen die Macht. Mittlerweile regiert schon der dritte oder vierte von ihnen das Land. Natürlich genauso schlecht wie die anderen vor ihm. An-Nasir lebt seitdem wie ein Gefangener in seinem eigenen Palast. Einerseits bangt er um sein Leben, andererseits will er nichts lieber, als sein Land wieder in Besitz zu nehmen. Er hat große Dinge vor, und wenn ihm die glücken, wird er als einer der fortschrittlichsten Herrscher der Welt in die Geschichte eingehen. Und wir können ihm dabei helfen.«
»Wie können wir das?«, meldete sich nun Maria zu Wort. Ihr Vater übersah mit einer gewissen Belustigung, dass es einer Jungfer eigentlich nicht anstand, den Vater zu unterbrechen oder sich in ein Gespräch der Männer einzumischen. Er schilderte, dass er ausgesandt worden sei, Verbündete in Europa zu suchen. Karl und Maria hörten aufmerksam zu. In Europa wusste kaum jemand, dass der Sultan überhaupt existierte.
Karl nickte still, während er den Ausführungen zur Politik des Nahen Ostens lauschte. »Leider verkehre ich kaum an Adelshöfen«, sagte er nun. »Ihr müsst verzeihen, als adoptierter Zweitgeborener eines Drittgeborenen hält sich die Nachfrage nach meiner Gesellschaft in Grenzen. Vielleicht ändert sich das ja jetzt, wo ich zum Prinzen geworden bin.« Ein spöttisches Grinsen huschte über sein Gesicht. »Aber ich gestehe, ich fühle mich als freier Kaufmann sehr viel wohler, als ich das als Edelmann auch nur könnte. Aber lasst uns doch einfach überlegen, was wir alles haben, das wir in die Waagschale werfen können, um ein wahres Sultansfieber auszulösen.« Henri, Rochus und Marie sahen ihn gespannt an. Karl dachte laut nach. »Wir haben etwas Geld. Das Vermögen, das Ihr uns für Ausbildung und Mitgift gegeben habt, konnten wir vermehren. Ich bin Kaufmann und arbeite bisweilen für potente Geldverleiher. Marie ist hoch gebildet und hat zwei Jahre am Königshof verbracht. Außerdem sind wir beide Teilhaber eines sehr gut laufenden Schneidereibetriebes und einer Knopfmanufaktur in Nürnberg, die von unserer engsten Freundin geführt werden. Wir haben es geschafft, dass die vornehmsten Leute des Reiches, bis zum König und zur Königin, unsere Kleider tragen. Seht her, sie sind etwas völlig Neues.« Henri beäugte neugierig die Knöpfe an Rock und Hemd Karls.
»Vielleicht sollten wir den Sultan hübsch ausstaffieren?«, fragte Marie rundheraus. »Was würde das nützen?«, entgegnete Rochus.
»Nun ja, ein prächtig gekleideter junger Fürst aus dem Orient? Der könnte Eindruck an den Fürstenhöfen erwecken. Dort geht es zumeist ziemlich eintönig und langweilig zu, und die Höflinge, einschließlich ihrer Herren, gieren geradezu nach Abwechslung und freuen sich über Neues und Außergewöhnliches. Wenn er dazu mit den entsprechenden Versprechungen nicht geizt, könnte ihm das schon den einenoder andern Vertrauten sichern«, antwortete Karl an Maries Stelle und schenkte ihr einen anerkennenden Blick, der der jungen Frau die Röte in die Wangen trieb.
»Aber der Sultan ist in Kairo und man wird ihn nicht nach Europa reisen lassen«, wandte Henri ein.
»Ich weiß«, sagte Karl, »das sagtet Ihr bereits. Irgendetwas muss uns noch einfallen. Doch lasst uns diesen Ort hier verlassen, man weiß in dieser Stadt nie, wer
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