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Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Siegel
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Maries die Rede war? Der unbändige Zorn, der in ihm aufstieg, wenn er an Bero von Restwangen und seine Spießgesellen dachte? Er und Marie? Sie beide – war es wirklich so einfach? Er trank seinen Becher aus und entschuldigte sich. Er wollte alleine sein.
    Als er allein in seinem Schlafgemach war, kamen Erinnerungen. Erinnerungen nicht an Marie, das kleine Mädchen, sondern an die Maria, die er aus dem Kloster geholt hatte. Deren Unschuld er vor Bero und seinen geilen Kumpanen gerettet und für die er einen Menschen getötet hatte. Er dachte auch an den Zorn, der in ihm aufgewallt war, als er von der geplanten Verlobung Marias mit Bero erfahren hatte, und dass er keine Sekunde gezögert hatte, mit ihr zu fliehen und ein neues Leben zu beginnen. Immer klarer wurden seine Gedanken, und ein Gefühl von bisher nicht gekannter Stärke durchströmte seine Brust. Er wusste jetzt, dass er Marie liebte, von ganzem Herzen und mit jeder Faser seines Leibes. Endlich erkannte er auch, woher Maries Unmut in den letzten Wochen rührte. Er wusste, was es für ihn zu tun galt. Es gab zwei Dinge, die er anpacken musste. Das eine sagte ihm sein Herz, und es wurde ihm unsagbar leicht bei der Entscheidung. Das andere sagte ihm sein Verstand, der überraschenderweise noch immer ordentlich arbeitete. Es war eine Aufgabe für sie beide als Paar. Maria war den ganzen Abend schon wieder Marie gewesen. Er würde ab morgen auch nicht mehr Karl oder Charles heißen, sondern Prinz Chalil von Ägypten.

VIERTER TEIL

WIEN   März 1305
    Chalil rückte näher an das Kohlebecken, das er sich gegen die klamme Winterkälte hatte bringen lassen, und brütete über den Papieren, die ihm vor einigen Tagen zugestellt worden waren. Er hatte die letzten Tage in Trauer verbracht, doch jetzt nahm er sich zusammen, um die notwendigen Angelegenheiten zu regeln. Sein einstiger Lehrherr Zacharias war verstorben und hatte ihn in seinem Testament großzügig bedacht. Neben einigen Legaten an seine wenigen leiblichen Verwandten, hatte Chalil den größten Teil seines Vermögens geerbt. Es waren allerdings kaum Münzen oder sonstige Wertgegenstände im Inventar seines Nachlasses aufgeführt gewesen. Der bis zum letzten Atemzug klug agierende Finanzmann hatte seinen Barbesitz in Wechsel an verschiedene Banken gewandelt und eine Reihe von Schuldscheinen gesammelt. Chalil pfiff leise durch die Lippen, als er eine Summe von 1500 Gulden auf einem Schuldschein Siegfrieds von Restwangen fand, den dieser vor seinem Tod nicht mehr eingelöst hatte. Zusammen mit einem Papier Siegfrieds, das Chalil schon seit ihrer Flucht in seinem Besitz hatte, konnte er von Restwangen, wann immer es ihm passte, zweitausendfünfhundert Gulden einfordern. Eine Summe, die auch einen wohlhabenden Lehnsherrn in große Bedrängnis bringen konnte. Chalil addierte die Summen auf sämtlichen vor ihm liegenden Urkunden, um sich einen ungefähren Überblick über sein neues Vermögen zu verschaffen. Der Alte hatte ihn in seinem Testament gebeten, weisemit dem Erbe umzugehen, und ihn ermahnt zu bedenken, dass es die Taten sind, die einen Mann ausmachen, nicht sein Erbteil.
 
    Fast drei Jahre waren er und Marie nun quer durch Europa gereist und hatten in den höchsten Adelskreisen verkehrt. Nachdem sie sich von Franziska auf das Feinste hatten einkleiden lassen, besuchten der Prinz und seine schöne Gemahlin die vornehmsten Fürstenhöfe des Kontinents. Die Vielzahl und Eleganz ihrer Kleider wurden rasch sprichwörtlich, und Franziskas Werkstatt erhielt Aufträge aus allen Ecken und Enden des Erdteils. Wo immer Marie und Chalil sich aufhielten, schien man es ihnen an Eleganz und Schönheit gleichtun zu wollen. Im Gefolge des Prinzen reisten sogar ein Schneidergeselle und mehrere Näherinnen, die Kunden unmittelbar vor Ort bedienen und die gut situierten örtlichen Schneidermeister im Anfertigen von Knopfkleidern unterweisen konnten. Besonders kunstvolle und teure Knöpfe führte die Reisegruppe in kleinen Kästchen mit sich, und Chalil präsentierte diese in den höchsten Kreisen persönlich.
    Natürlich wurden Knöpfe nun von vielen Handwerkern hergestellt, doch Franziskas Manufaktur hatte jahrelangen Vorsprung und dank der herrlichen Kleider aus ihrer Werkstatt einen beispiellosen Ruf. Franziska und ihre Teilhaber waren wohlhabend geworden, natürlich auch der gute alte Walram, der vor wenigen Monaten als hoch angesehener Mann entschlafen war.
    Vor einem Jahr hatten Franziska und der alte Meister

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