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Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Siegel
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Trudbert an Sohnes statt angenommen, ein schlauer Schachzug, denn Franziska konnte so die Schneiderei als Witwenbetrieb weiterführen, bis der Sohn in der Lage wäre, das Geschäft zu übernehmen, wie es die Nürnberger Zunftordnung gebot, und konnte ihr Wirken somit praktisch unbegrenzt fortsetzen.
    Franziska hatte ursprünglich wenig Grund dazu gesehen, dem Sultan eines fernen Landes, von dem sie bisher keinerlei Vorstellung hatte, zu seinem Thron zu verhelfen. Erst als Maries Vater ihr erklärt hatte, dass dieser Mann ein Garant für Frieden und Wohlstand im östlichen Mittelmeer zu werden versprach und sich unbegrenzte Handelsmöglichkeiten eröffnen würden, hatte sie schließlich zugestimmt und einen Teil ihres Geldes zur Unterstützung des fremden Herrschers zur Verfügung gestellt. Außerdem hatte sie Vertrauen in Chalils kaufmännische Weitsicht.
    Der Plan, den Chalil sich überlegt hatte, um den unbekannten Vetter zu seinem Thron zu verhelfen, war einfach. Er würde in den Adelshäusern seine eigene Geschichte erzählen – und die war abenteuerlich genug, da müsste er keine Märchen erfinden. Das geheime Leben der Eltern in Akkon, ihr früher Tod, seine Adoption durch einen französischen Edelmann und der Übertritt zum Christentum, die abenteuerliche Flucht nach Europa und seine Lehrjahre bei einem reichen Kaufmann und Geldverleiher. Er kannte alle drei Religionen des einen Gottes aus eigener Erfahrung, was sonst kaum jemand von sich behaupten konnte und was ihn auch beim Klerus zu einem interessanten Gesprächspartner machte, zumal er sich ja für das Christentum entschieden hatte. Schließlich erzählte er von seinem königlichen Vetter, der Beziehungen zu den Edlen des Abendlandes aufbauen wollte und deshalb den Prinzen als Botschafter ausgesandt hatte, ihnen seine persönliche Aufwartung zu machen. Chalil ließdie Herrschaften erkennen, dass Ägypten ein reiches Land war, mit dem es sich lohnte, Geschäftsbeziehungen aufzubauen und Bündnisse zu schließen. In den schillerndsten Farben schilderte er die Reichtümer des Ostens und die Handelsmöglichkeiten mit den asiatischen Seefahrerstaaten, die nach Warenaustausch mit Europa gierten. Sein Vetter wollte als Mittler zwischen Orient und Okzident in die Geschichte eingehen und gab sich deshalb größte Mühe, das Wohlwollen der abendländischen Fürsten zu gewinnen. Chalil schenkte so manchem Regenten eines der Gemälde des Sultans, für die er selbst Modell gesessen hatte und die dank Henris Schilderungen dem jungen Monarchen tatsächlich ähnlich sahen. Auch an-Nasir war sehr schlank, trug einen kurzen Bart und hatte die gleichen schwarzen Augen und wie Chalil ein ebenmäßiges ovales Gesicht. Auf den Bildern schmückte den Sultan eine seltsame orientalische Kopfbedeckung, die sein nobles und exotisches Äußeres unterstrich. Das Abbild des geheimnisvollen jungen Fürsten übte auf Männer wie auch Frauen eine seltsame Faszination aus.
    Die Saat begann rasch aufzugehen: Schon bald wurden Botschaften nach Kairo gesandt, die den Monarchen der Freundschaft der Fürsten versicherten, meist in Verbindung mit großzügigen Geschenken, die das Gedächtnis des Sultans an seine ersten Verbündeten stützen sollten.
 
    An-Nasirs Name wurde in ganz Europa bekannt, und die Aussicht, über ein friedliches und dem Westen aufgeschlossenes Ägypten an die Schätze Afrikas zu kommen und darüber hinaus Zugang zu den Seehandelswegen des Roten Meeres und des Indischen Ozeans bis tief nach Asien zu erhalten, ließ seine Freundschaft in höchstem Maße erstrebenswerterscheinen. Auch reiche Kaufherren wie die Schürstab in Nürnberg nutzten die Gunst der Stunde, sich mit dem königlichen Vetter über künftige Handelsbeziehungen zu beratschlagen und dem Sultan für seine Aktivitäten in Europa großzügigen Kredit einzuräumen.
 
    Henri und Rochus waren im vergangenen Sommer wieder zu ihm gereist, um ihm zur Seite zu stehen und ihn zu beraten. Der Schutz des Lebens des jungen Fürsten schien nunmehr gewährleistet zu sein, denn er war binnen kurzer Zeit viel zu bekannt und als Handelspartner der europäischen Fürsten viel zu wichtig geworden, als dass man ihn einfach still und leise hätte beseitigen können. Die Regenten des Mameluckenstaates mussten sich zähneknirschend eingestehen, dass sie ohne die Symbolkraft an-Nasirs wenig Wertschätzung im Rest der Welt genossen. Dennoch war der Sultan noch immer ein Gefangener im eigenen Land und ohne seinen ersehnten

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