Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
der Schänken, in denen er sich sonntags gern mit den anderen Meistern traf. Karl bummelte durch die Stadt und fand ihn bald vor einem großen Bierkrug sitzend. Die Männer luden ihn an ihren Tisch in der Hoffnung, dass er sie wie schon öfters mit kaufmännischen Ratschlägen versorgte, was er stets gern tat. Nachdem er selbst einen Krug Bier getrunken hatte, fragte er seinen Herrn, ob es in Ordnung sei, wenn er seine Schwester zur Hochzeit mitbrachte.
»Was für eine Frage! Natürlich bringst du sie mit. Darf sie denn aus dem Kloster?«
Karl erzählte von dem Gespräch mit der Oberin, und die Männer schüttelten nur den Kopf über die unverschämten Forderungen Innozentias. »Wo wirst du sie unterbringen?«, fragte der Rosshändler.
»Ich dachte bei Zacharias und mir, wir haben eine freie Kammer für sie.« »Eine unschuldige Novizin unter einem Dach mit euch beiden Halsabschneidern? Und ohne eine Frau im Haus? Na, du hast ja Vorstellungen.« Zacharias' Frau war schon vor längerer Zeit verstorben, und der Alte war seitdem unverheiratet geblieben. Aber Hermann hatte Recht. Es würde nur dummes Gerede geben.
»Frag meine Zukünftige, ob sie bei ihr unterkommen kann. Aber tu so, als wäre es ihre Idee …!« Er zwinkerte dem Jungen schelmisch zu.
*
»Also, ein bisschen Reitunterricht hätte man dir schon erteilen können«, hänselte Karl die strahlende Maria, die aus allen Wolken gefallen war, als er sie völlig überraschend für eine ganze Woche aus dem Kloster holte. Dass er ein zweites Pferd mitgebracht hatte, hatte er den Nonnen lieber verschwiegen und seinen kleinen Helfer angewiesen, außer Sichtweite des Klosters auf die beiden Tiere aufzupassen.
»Sehr witzig. Denkst du, wir galoppieren durch das Hospital? Aber so dumm wie du tust, stelle ich mich auch wieder nicht an.« Karl grinste sie an und gab zu, dass sie schön aufrecht im Sattel saß und den gutmütigen Gaul geschickt lenkte. Beim ersten leichten Trab hielt sie sich an der Mähne fest, und als Karl die Tiere zum Galopp antrieb, schrie sie vor Schreck auf. Mit roten Wangen, aber überglücklich ließ sie sich auf Hermanns Hof führen, wo sie die Tiere versorgten und auf die Koppel führten. Den kurzen Weg zu Neles Haus gingen sie zu Fuß.
Die beiden Frauen empfingen Maria freundlich und neugierig. Das junge Edelfräulein gefiel ihnen gut, und auch Maria schien sich auf Anhieb mit ihren Gastgeberinnen zu verstehen. Doch als diese mehrmals verstohlen das Gewand des Klosters musterten, errötete Maria. Acht Jahre hatte sie auf Putz und Zierrat verzichten müssen, auf die ihre Mutter immer großen Wert gelegt hatte und die ihr als kleines Mädchen immer große Freude gemacht hatten. Im Kloster war ihr das egal gewesen, da alle Mädchen dort das Gleiche trugen, lange Kittel aus grobem Wollstoff, oft geflickt und ziemlich alt. Rübensäcke hatten sie ihre Kleider genannt. Im Vergleich zu den einfachen Dorfbewohnern waren sie dennoch gut gewandet; die meisten Menschen Böhmens wären froh gewesen, wenn sie über ausreichend warme und einigermaßen saubere Kleidung verfügt hätten. Aber jetzt, zwischen den beiden sonntäglich elegant gekleideten Schneiderinnen, kam sie sich plötzlich armselig und schäbig vor.
Ihre schöne Kette mit dem fein gearbeiteten Medaillon, das Abschiedsgeschenk ihres Vaters, hatte sie bei ihrer Aufnahme ins Kloster ablegen müssen, doch hatte die frühere Äbtissin sie Karl auf dessen Wunsch bei einem seiner Besuche ausgehändigt. Das Schmuckstück war eine kostbare Erinnerung, denn auf ihm befand sich, kunstvoll in Gold gehämmert, das einzige Bild von Marias Eltern. Innozentia hätte Kette und Anhänger vermutlich einschmelzen lassen. Heute auf dem Nachhauseweg hatte Karl die Kette Maria umgehängt, und sie hatte ein paar Tränen vergossen, als sie das kühle Metall auf ihrer Haut spürte.
Nele und Franziska warfen sich einen raschen Blick zu. Schließlich hob Nele das Kinn des Mädchens hoch und musterte es von oben bis unten. »So gehst du aber nicht zu meiner Hochzeit«, sagte sie mit gespielter Strenge. Maria schluckte und versuchte, dem Blick der Meisterin standzuhalten.
»Lass dich doch mal genau ansehen … Du bist größer als Franziska und ich, aber ich denke, wir finden etwas Passendes. Franziska soll sich ein bisschen nützlich machen. Geht doch gleich in die Werkstatt.«
Franziska nickte Maria aufmunternd zu. Maria hatte außer der Klosterschneiderei, die ausschließlich nach praktischen
Weitere Kostenlose Bücher