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Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Siegel
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große und kleine Ballen von hellbraunen, honigfarbenen, roten, gelben und blauen Stoffen. Blasses vornehmes Rosa und tiefer Purpur fanden sich in den Fächern, feine und grobe Wolle stapelten sich, auch gewalktes Material, das jedem Regen standhielt, ebenso Leinen in all seinen Webarten und, besonders sorgsam verwahrt, Brokat, Samt und kostbare Seide. Nele liebte es, ihre Kunden mit neuen Ideen zu überraschen. Franziska war sich nicht ganz sicher, ob die unter den Resten gefundenen Farbproben auch tatsächlich zu den Ballen im Lager passten, also half nur ausgiebiges Probieren.
    »Versuchen wir diesen. Los, wir tragen ihn nach draußen!« Sie schleppten einen schweren Leinenballen ins Sonnenlicht, und Franziska wickelte ein Ende um Marias Oberkörper. »Die Farbe könnte passen. Vielleicht etwas zu dunkel? Nein? Warte, ich hole die Seide.« Der Seidenballen war deutlich kleiner und leichter. Franziska trug ihn ebenso unbekümmert wie das viel preiswertere Leinen. »Leg die beiden Stoffe doch einmal übereinander. Mit ein wenig Weiß dazu wird das sehr schön! Oder willst du noch etwas anderes versuchen?« Sie brachte einen weiteren Leinenballen, der von einem noch etwas kräftigeren Blau war. »Besser? Ich weiß nicht so recht. Was sagst du?« Maria hatte schon seit einer ganzen Weile nichts mehr gesagt und Franziska auch kaum noch zugehört. Stoffe und Farben wirbelten in ihrem Kopf durcheinander. Schließlich deutete sie auf den ersten Leinenballen und die Seide. »Ich glaube, die beiden. Die Seide sieht wirklich aus wie der Himmel.« Sie trugen die Ballen wieder in das Lager, und Franziska kennzeichnete die beiden ausgewählten mit Kreide.
    »So, das wäre erledigt. Jetzt wirst du vermessen. Komm!« Wieder liefen sie in die Werkstatt und Franziska musterte Maria. »Jetzt zieh bitte endlich dieses Monstrum aus.« Maria errötete. Im Kloster wäre es undenkbar gewesen, wenn eine Novizin oder eine Nonne sich den anderen beinahe nackt gezeigt hätte, obwohl manche Mädchen heimlich ihre Körper verglichen hatten. Maria wusste auch von Vorkommnissen zwischen einigen Kameradinnen und manchmal auch der einen oder anderen Nonne, die man der Äbtissin oder dem Beichtvater besser nicht erzählte. Sie selbst hatte sich daran nie beteiligt und war auch von den anderen unbehelligt geblieben.
    »Am besten kann ich messen, wenn du nur das Unterkleid anhast«, sagte Franziska.
    »Dann machen wir es eben so«, schluckte Maria tapfer.
    Franziska griff sich ihre Zollschnur, nahm schnell und geübt Marias Maße und notierte sie auf einer Holztafel.
    »So, das hätten wir. Und jetzt zieh dieses Hemd über und warte einen Augenblick. Ich komme gleich wieder.«
    Maria setzte sich in ihrem neuen Hemd auf einen Schemel und gab sich Mühe, die vielen neuen Eindrücke zu verarbeiten. Franziska war so fröhlich und unbeschwert und hatte sie vom ersten Moment an wie eine Schwester behandelt. Selbst die Mädchen, mit denen sie im Kloster etwas besser befreundet war, waren nie so herzlich gewesen.
    Franziska kehrte mit ein paar Kleidungsstücken zurück. »Bis deine eigenen Kleider fertig sind, kannst du gern meine Sachen tragen. Der Rock wird vielleicht ein bisschen zu kurz sein, aber viele Frauen tragen immer diese Länge. Das Mieder passt bestimmt, und die Schuhe hier sind von meiner Mutter. Probier doch gleich alles an.« Zögernd schlüpfte Maria in den langen dunklen Rock, der aus ebenso gutem Stoff wie Franziskas Sommerkleid war, und ließ sich in das helle Mieder helfen. Sie hatte noch nie eines getragen, konnte sich aber noch gut an die Garderobe ihrer Mutter erinnern, die ebenfalls aus langen Röcken, engen Oberteilen, gebauschten Hemden und Umhängen bestanden hatte. Franziska trat ein paar Schritte zurück und musterte sie. »Drücken die Schuhe? Nein? Sehr schön. Rock und Oberteil sitzen genau. Nicht wiederzuerkennen! Jetzt noch die Haare. Wir flechten ein bisschen und dann setzt du dieses Häubchen auf, es wird dir gefallen.« Franziska kämmte und flocht, und nach einigen Minuten trug Maria eine ähnliche Haartracht wie sie selbst. Die winzige, aus dünnen Fäden geklöppelte und fast durchsichtige Mädchenhaube diente wirklich nur dazu, den Schein zu wahren, ebenso wie Franziska es hielt. »Und jetzt komm vor den Spiegel.«
    Der kostbare mannshohe Spiegel war das Prunkstück der Werkstatt. Er war sehr teuer gewesen, und Nele hatte lange gerechnet, bevor sie ihn erworben hatte. Doch die Kundinnen waren begeistert und konnten

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