Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Schweigen hüllte. Ihre Mutter hatte ihr freigegeben mit dem Auftrag, Maria die Umgebung von Budweis zu zeigen. Das Mädchen war viel zu lange hinter Klostermauern eingesperrt gewesen. Sie hatten sogleich den Schuhmachermeister aufgesucht, und Franziska hatte so lange auf ihn eingeredet, bis er versprochen hatte, drei Paar Schuhe nach Franziskas und Marias Vorstellungen anzufertigen. Wirklich schwierig waren sie nicht herzustellen, eigentlich wesentlich einfacher als gute herkömmliche Schuhe, doch wollte sich ihm der Sinn nicht erschließen, gutes Geld für derart unpraktische Gehwerkzeuge zu verschwenden, nur um der Schönheit Genüge zu tun.
Es war schönes Wetter, so dass sich ein Spaziergang zum Fluss anbot. Franziska wollte selbst ein wenig im Wasser planschen. Maria war jedenfalls noch nie schwimmen gewesen, das hatte sie schon herausgefunden. Ihr selbst hatte es Hermann beigebracht, der schon in seiner Jugend als Fuhrmann gelernt hatte, seinen Wagen und seine Tiere durch tiefste Furten zu bringen, notfalls, indem man neben den Ochsen durch das Wasser schwamm. Sie mussten etwas mehr als eine Meile zu der richtigen Stelle laufen und konnten in der Ferne gut die Burg Restwangen erkennen, die sich noch ein ganzes Stück flussaufwärts befand. Als sie sich der Badestelle näherten, vernahmen sie die Stimmen der Jungen. Franziska hielt im Schritt inne und sagte: »Gleich wirst du jemanden erblicken, den du schon lange nicht mehr gesehen hast. Komm!« Sie verließen den Weg und versteckten sich zwischen den Bäumen. Von dort konnten sie die drei Burschen im Wasser beobachten.
»Großer Gott – ist er das wirklich?«, fragte Maria.
»Ja, das ist er, dein Bruder. Hast du ihn gleich erkannt?«
»Nicht auf den ersten Blick. Er ist so groß geworden und seine Stimme klingt so tief.«
»Duck dich, sie kommen raus.«
Die beiden Mädchen hatten nicht damit gerechnet, dass die jungen Männer gar nichts am Leibe trugen, und hielten den Atem an, als sie die schlanken nassen Körper sahen. Franziska versuchte, einen Blick auf Ludwigs Rückansicht zu erhaschen, doch ihr Schwarm lief vor Karl, der die Sicht verdeckte. Schnell senkte Maria den Blick. »Lass uns schnell weggehen.«
»Dann bemerken sie uns erst recht. Sei lieber still, sie werden den Platz ohnehin in die andere Richtung verlassen, dann können wir unbemerkt verschwinden.«
Die drei Jungen setzten sich auf die warmen Steine am Ufer und ließen sich von der Sonne trocknen. Karl erhob sich als Erster, um seine Kleider und seine Prothese anzulegen. Hosen und Hemd waren durch Bänder und Schnüre zu schließen, und er musste sich ziemlich verrenken, um alles ordentlich zuzuziehen und zu Schleifen zu binden. Vor allem die Verschnürung der Beinkleider fiel ihm sichtlich schwer. Die Hose hatte ein umlaufendes Band, das in den Bund eingenäht war. Karl musste beide Enden zuziehen, versuchen, sie festzuhalten und gleichzeitig eine Schleife binden. Der Hosenlatz war durch eine gekreuzt geführte Kordel zu schließen, was ihm aber gut gelang.
Die beiden anderen Burschen schlüpften ebenfalls in ihre Kleider. Ludwigs Beinlinge waren ihm etwas zu klein und umspannten seine Beine und sein Hinterteil. Franziska genoss den Anblick seiner straffen Muskeln, die sich durchden Stoff abzeichneten. Karl und den jungen Horwarth würdigte sie keines Blickes. Sie seufzte kaum hörbar, als die jungen Männer die Badestelle verließen. Maria entging das nicht, doch wusste sie sich keinen Reim darauf zu machen.
»Möchtest du auch ins Wasser?«, fragte Franziska nun. Maria sah sie erschreckt an. Meinte die Freundin etwa nackt wie ihre Brüder? Sie schüttelte rasch den Kopf. »Dann lass uns die Wäsche ausschwemmen.« Maria half geschickt, die Wäschestücke durch das klare Wasser zu ziehen, sie auszuwringen und anschließend mit den Armen auszuschleudern. Bevor sie die Wäschestücke wieder zusammenlegten, ließen sie sie in der Sonne antrocknen. Maria ging der Anblick ihres Bruders Karl nicht aus dem Sinn. Der sonst so selbstsichere junge Mann hatte so hilfsbedürftig gewirkt. »Hast du gesehen, wie schwierig all die Schnüre für Karl waren? Kann man Kleider denn nicht anders schließen als mit diesen ellenlangen Bändern? Es muss doch etwas geben!«
Franziska musste sich eingestehen, dass sie nicht bemerkt hatte, wie sehr Karl sich plagen musste.
»Natürlich kann man Spangen verwenden, aber bei Hosen und Hemden geht das schlecht. Auch lange Nadeln nicht, das wäre zu
Weitere Kostenlose Bücher