Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
zur Versorgung des anderen oder etwaiger Kinder zu verfahren sei, ebensowurde ein Wittum festgelegt, eine Morgengabe an die Braut, das ihrer persönlichen Versorgung im Falle des vorzeitigen Ablebens des Gatten dienen sollte. Schließlich wurde Neles Vermögen, das bereits in ein Inventar aufgenommen war, als Mitgift in den Haushalt Hermanns eingebracht. Nele hätte Franziska gern vorab einen Teil des Erbes ihres leiblichen Vaters zugeschrieben, doch hatte es im Vorfeld der Vertragsgestaltung vehemente Einwände von Seiten des Stadtschreibers gegeben, der die Erbfähigkeit eines zum Erbzeitpunkt noch kleinen Mädchens rundweg ablehnte. Sie lösten das Problem, indem sowohl das Geld, das von Gerhards Ersparnissen noch übrig war, als auch eine zusätzliche Summe bei Zacharias angelegt wurden und irgendwann Franziskas Mitgift bilden sollten.
Als sie schließlich auf Hermanns Hof ankamen, warteten dort schon zahlreiche Gäste, und die Bediensteten füllten die Krüge mit kühlem Bier. Musikanten begannen aufzuspielen. Im Innenhof war eine riesige hufeisenförmige Tafel aufgebaut, an der alle Gäste Platz fanden.
Kurz nach dem Brautpaar trafen Bero und Haymo in Begleitung eines weiteren Edelmannes ein. Hermann war zwar nicht erfreut über diesen Besuch, doch wie es Recht und Anstand verlangten, wies er ihnen Ehrenplätze am oberen Ende der Tafel zu. Nele wirkte geehrt, dass Siegfried seinen Enkel als Vertretung geschickt hatte, und behandelte die Männer mit der gebührenden Achtung, auch wenn sie den Augenkontakt zu Bero mied.
Im Gegensatz zu den förmlichen Adelsheiraten, die oft sogar von Vertretern vorgenommen wurden, ging es bei Bürgerhochzeiten zünftig zu. Es wurde geschmaust und getrunken, getanzt und gesungen. Irgendwann im Lauf des Abendswurde die Braut von den anderen Frauen ins Haus geführt. Symbolisch wurden ihr die Schlüssel überreicht, die Bediensteten vorgestellt und der Haushalt gezeigt. Anschließend wurde sie in die Schlafkammer geführt und für die Nacht fertig gemacht. Eine Hebamme oder eine ältere Verwandte wurde herbeigeholt, um die meist unerfahrene und unwissende Braut über die Hochzeitsnacht und die Geschlechtlichkeit der Ehe aufzuklären. Angesichts Neles früherer Ehe und ihrer Mutterschaft sollte an diesem Abend auf diesen Brauch verzichtet werden.
Einstweilen feierte und zechte der Bräutigam mit den verbliebenen Herren fröhlich weiter, bis schließlich auch er unter dem Gejohle und Gepfeife der Gäste die Runde verließ und das Brautgemach aufsuchte.
Bero und seine Begleiter hatten ihren Plan schon vor ihrer Ankunft genau besprochen. Wenn Maria und Franziska das Brauthaus verließen und nach Hause gingen, würden sie ihnen folgen, unbemerkt von den anderen Männern an der Tafel. Die beiden Älteren hätten das Vorrecht, als Erste von dem jungen Fleisch zu kosten, hatten sie vereinbart. Der jüngste konnte anschließend wählen, welcher von ihnen er seine Männlichkeit beweisen wollte. Ungeduldig verharrten sie auf der Feier, tranken, speisten und gaben sich Mühe, ihre Erregung zu verbergen und nicht zu oft zu den beiden schönen Jungfrauen zu starren, die an der anderen Oberseite der Tafel saßen und fröhlich mit Ludwig und Karl plauderten.
Ludwig hatte seine Schwester Maria tatsächlich nicht wiedererkannt und war verblüfft, ja erschrocken darüber, wieerwachsen die Kleine geworden war. Trotzdem gelang es ihm nicht, seine Gedanken und seinen Blick von Franziska zu wenden. Franziska hatte erstmals in ihrem Leben einen ganzen Becher Wein getrunken und fühlte sich wie auf Wolken. Die wie zufälligen kleinen Berührungen und die langen Blicke, die sie und Ludwig austauschten, waren tiefster Genuss für sie. Gedankenverloren spielte sie mit einer Haarlocke, während der verliebte Jüngling in ihren Augen zu versinken schien. Ludwig erschien ihr heute noch schöner und strahlender, als er dies sonst in ihren Gedanken war, und sie wünschte nichts sehnlicher, als den ganzen Abend mit ihm zu verbringen.
Obwohl sie wusste, dass es gewiss nicht schicklich war und ihre Mutter es bestimmt missbilligen würde, machte sie, vom Wein und dem Rauschen ihres Blutes beflügelt, schließlich den Vorschlag, die Jungen sollten zu Neles Haus kommen und dort auf Maria und sie warten, wenn die Frauen schließlich die Tafel verließen, es sei denn, sie legten Wert darauf, sich lieber in der Männerrunde zu besaufen, statt sich mit ihnen beiden einen lustigen Abend zu machen. Um kein Gerede
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