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Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Siegel
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Ausbildung zurückzuführen war, und konnte sich die Bemerkung nicht verkneifen, dass sie jetzt wohl einsahen, warum er in all den Jahren keine Nachlässigkeit geduldet hatte und ein strenger Herr gewesen war. Artig nickten die Burschen. Ludwig wollte sich noch um Beros Dolch kümmern, doch Siegfried hatte plötzlich den Einfall, dass Beros und sein Kettenhemd mit Asche gereinigt, poliert und geölt werden müssten. Ritter mussten kampfbereit sein, auch in Friedenszeiten. Diese Arbeit wäre am selben Tag noch zu schaffen, der Dolch könne bis zum Montag warten.
    *
    Die große Kirche war voll wie sonst nur zu hohen Festen. Der Pfarrer hielt das Hochamt, um anschließend den Brautleuten das Eheversprechen abzunehmen. Die Zunftmitglieder waren vollständig mit ihren Familien und in ihren besten Gewändern erschienen, zahlreiche Gäste, viele davon Kunden von Hermann oder Nele, waren eigens angereist. Hermann strahlte voller Stolz und genoss seine Beliebtheit. Einige der auswärtigen Gäste, vor allem Frauen, wirkten etwas irritiert, als sie Nele das erste Mal sahen. Es kam nicht oft vor, dass eine Frau in Neles Alter noch geheiratet wurde,schließlich wollten die meisten Männer Erben und ehelichten lieber ein junges Mädchen, unabhängig davon, wie alt sie selbst waren. So hatte auch die Verbindung von Hermann und Nele anfangs für einiges Gerede in Budweis gesorgt, doch da beide große Anerkennung genossen, verstummten bald alle bösen Stimmen. Der Priester hatte es sich im Brautgespräch auch nicht verkneifen können auszuführen, dass schon manche Frau von mehr als dreißig Jahren noch empfangen und Mutterglück erfahren hatte und somit dem heiligen Zweck der Eheschließung Genüge leisten durfte.
    Neles Auftritt sorgte für Getuschel, und die eine oder andere nicht mehr ganz taufrische Matrone schüttelte missbilligend den Kopf, während sie den Blick doch nicht von der Meisterin nehmen konnte. Franziska hatte das Kleid, das sich schon durch sein passgenaues Mieder und den Faltenrock deutlich vom klassischen Surcot der meisten Frauen abhob, heimlich vorne etwas gekürzt, sodass das darunter liegende Unterkleid ein kleines bisschen hervorblitzte und die Füße der Trägerin bei jedem Schritt zu sehen waren. Durch den keilförmigen Absatz wirkte Nele eine gute Handbreit größer, und die aufrechte Körperhaltung verlieh ihr eine beinahe königliche Würde, die durch den eleganten Umhang noch unterstrichen wurde. Die Mädchen hatten sie erst kurz vor der Trauung mit der Änderung des Kleids und den Schuhen überrascht. So war Nele nichts anderes übrig geblieben, als die zierlich wirkenden Sandalen zu tragen.
    »Die stehen uns allen dreien doch gut«, hatte Franziska gesagt. »Wenn Hoimar morgen Bestellungen über Bestellungen erhält, dann gibt es die dazu passenden Kleider nur bei uns. Noch dazu mit Knöpfen!«
    Selbst Karl hatte anerkennend genickt, als sie ihm vor dem Gottesdienst stolz die Geschichte ihrer Schuhe erzählten und ihm zeigten, wie sie sich elegant in die Kirchenbank und auf die Stühle am Festtagstisch setzen wollten, um die fast skandalös entblößen Füße zu zeigen, die nur von dünnen Riemchen umschlossen waren.
 
    Karl und Ludwig standen im hinteren Teil des Gotteshauses. Dank seiner Größe konnte Ludwig über die meisten Menschen hinwegsehen und hatte freie Sicht auf Franziska und Maria, die einträchtig nebeneinandersaßen. Franziskas Kleid war von kräftigem Ocker, das ihrem Haar und ihrem Teint schmeichelte; darüber trug sie einen Umhang, der Nacken und Arme sittsam bedeckte. Wie stets saß auf ihrem Haupt nur die Andeutung eines Häubchens, sodass ihre braunen Locken in den Sonnenstrahlen, die durch das Fenster drangen, golden glänzten. Ludwig konnte seinen Blick nicht von ihr losreißen, und Karl fragte sich, ob ihm überhaupt bewusst war, dass die junge, blonde und himmelblau gewandete Frau an ihrer Seite seine kleine Schwester war.
    Nach dem Gottesdienst zogen die Brautleute feierlich in das nahe der Kirche gelegene Zunfthaus, um dort den vorbereiteten Ehevertrag zu unterfertigen. Hermann zeichnete das Dokument mit gewichtiger Miene, während Nele mit gesenktem Haupt hinter ihm stand. Sie ließ sich von Karl vertreten, was dem Zunftschreiber zunächst missfallen hatte, er aber mangels männlicher Verwandter und wegen der Fürsprache der Meisterschaft dann doch akzeptierte. Im Wesentlichen wurde in dem Vertrag geregelt, wie mit dem Vermögen eines der Ehegatten im Falle seines Todes

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