Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
packen versuchten. Er spürte, wie Einhard seine Lungen mit Luft füllte, doch zerrte er unerbittlich an seinen Haaren, holte weiter mit der Rechten aus und hieb wieder und wieder auf Einhards Schädel ein. Der Hüne versuchte, den Jüngling abzuschütteln, doch Karl hielt seinen Schopf weiter gepackt und warf sich mit seinem ganzen Gewicht auf den Hinterkopf des Mannes. Ein lautes Knacken war zu hören, das hässliche Geräusch fuhr Karl durch Mark und Bein. Einhard, der kräftige Edelmann, schien für einen Augenblick wie gelähmt innezuhalten, bevor seine Gliedmaßen mit einem Mal erschlafften und der schwere Körper über der am Boden liegenden Maria zusammensank.
Karl hatte keine Zeit, sich um die unter dem tödlich verletzten Wüstling begrabene Schwester zu kümmern. Haymo hatte sich aufgerappelt und ein Holzscheit ergriffen, mit dem er ebenfalls auf Ludwig einschlug, der noch immer mit Bero rang. Franziska hatte sich zur Seite gedreht und mühte sich, sich aus der Fessel ihres Rockes zu befreien. Bevor Haymo ein weiteres Mal auf Ludwig zielen konnte, sprang Karl auf ihn zu und versuchte, ihn von seinem Bruder wegzuzerren. Doch Haymo war kräftig, wendig und ein geschulter Kämpfer, von einem Einarmigen ließ er sich so leicht nicht von seinem Opfer abbringen. Karl schlug mit der hölzernen Hand nach ihm, doch streifte der Schlag den anderen nur an der Schulter. Verärgert, so als wollte er ein lästiges Insekt verscheuchen, wirbelte Haymo herum, um Karl mit dem Holzscheit in die Schranken zu weisen. Doch plötzlich sah er den leblosen Einhard am Boden liegen. Ein kurzer Moment des Schreckens ließ ihn innehalten. Der Krüppel war wohl doch nicht so harmlos. Das Holz in Haymos Hand fiel zu Boden. Seine Rechte fuhr unter den Rock und kam im nächsten Augenblick mit einem schmalen Dolch wieder zum Vorschein. Blitzschnell stach er zu. Karl gelang es, zurückzuspringen und dem ersten Stich auszuweichen. Haymo hielt das Messer wie eine leichte Fechtwaffe in der ausgestreckten Rechten und näherte sich dem Jungen, der hastig von ihm wich. Schritt für Schritt musste Karl sich rückwärts bewegen und ließ dabei den Dolch des anderen keinen Augenblick aus den Augen. Er sah ein hämisches Grinsen im Gesicht des Edelmannes, als er über ein Bein des liegenden Einhard stolperte und zu Boden fiel. Panisch riss er die eigene Waffe aus dem Gürtel. Als der Edelmann sich über ihn beugte, stieß Karl zu.
Ludwig schien die Oberhand in der wilden Rauferei mit seinem Herrn gewonnen zu haben, Beros Hand hatte seine Kehle losgelassen und tastete kraftlos über den Boden auf der Suche nach einer Waffe. Er hörte Haymo schmerzerfüllt aufschreien und sah für einen Moment aus dem Augenwinkel Karl, der sich unter ihm hervorwand. »Lass ab!«, brüllte dieser Ludwig nun zu. »Lass ab! Schlag ihn nicht tot!«
Zunächst schien Ludwig nicht zu hören, doch als er bemerkte, dass Bero keine Gegenwehr mehr leistete, verlangsamte er seine Schläge und stellte sie schließlich ganz ein. Vorsichtig, den Blick fest auf den Gegner gerichtet, rappelte er sich auf. Sein Festtagskleid war zerrissen und verdreckt; seine Nase blutete. Ein rotes Würgemal zog sich um seine Kehle. Es würde noch lange sichtbar bleiben. Auch Bero versuchte keuchend, auf die Beine zu kommen. Wie Ludwig war er geschwächt und sein Gesicht von vielen Treffern gezeichnet. Schwer atmend stützte er sich auf ein Knie. Er wurde sich seiner Blöße bewusst und zog die Hosen hoch. Mitzittrigen Fingern, die ihm nicht so recht gehorchen wollten, versuchte er, die Bänder der Beinkleider zu schließen. Ludwig stand mit noch immer geballten Fäusten vor ihm. Karl war aufgestanden und hielt mit seinem Messer den verletzten Haymo in Schach, der die gesunde Hand auf die stark blutende Wunde an seiner Schulter drückte. Bero erblickte die Waffe. Sein Blick haftete plötzlich wie von einem Magneten angezogen auf der Klinge. »Woher hast du meinen Dolch, du Dieb?«, keuchte er und merkte im selben Augenblick, welchen Fehler er begangen hatte. Karl blickte auf die Waffe und in das Gesicht des Adeligen, das plötzlich kreidebleich geworden war. Der sonst so hoffärtige Mann wagte plötzlich nicht mehr, einem der Brüder in die Augen zu sehen. Karl verstand sofort. Er war sich zuvor nie ganz sicher gewesen, ob sein Kurator Rochus ihm damals auf Zypern die Waffe, mit der Catherine de Montardier gemeuchelt wurde, oder einen anderen Dolch gegeben hatte. Als man ihm empfohlen hatte, den
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