Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
unter den Gästen hervorzurufen, sollten die beiden Brüder vorausgehen, während Franziska und Maria mit den anderen Frauen zunächst das Brauthaus aufsuchten, um an den althergebrachten Bräuchen teilzunehmen.
Karl und Ludwig machten sich alsbald auf den Weg, und Karl musste den Älteren ein paarmal scharf darauf ansprechen, seine glühende Liebe zur liebreizenden Franziska für eine Weile hintanzustellen, um die Fragen um Marias Zukunft zu klären. Der Bruder schlug vor, zunächst Maria persönlich zu fragen, ob sie nicht doch die kirchliche Laufbahneinschlagen wollte, eventuell in einem anderen Stift. Mit ihrer Bildung und Intelligenz konnte sie es weit bringen, vielleicht sogar Äbtissin werden. Falls sie hingegen den Wunsch hätte, bald zu heiraten, würden sie sich auf die Suche nach einem Bräutigam machen. Falls beides nicht in ihrem Sinn wäre, könnte sie auf unbestimmte Zeit bei Hermann und Nele bleiben.
Sie standen hinter dem Stofflager auf Neles Grundstück, nicht zu sehen, falls jemand sich von der Straße her näherte, und berieten sich. Nach kurzem Nachdenken stimmte Ludwig diesem Vorgehen zu.
»Ehe ich es wieder vergesse, hier habe ich noch etwas für dich. Tu dir aber nicht weh damit, er ist scharf«, sagte Ludwig, als er dem Bruder die schmale Waffe in der dünnen Lederscheide überreichte. Ihm war aufgefallen, wie sehr sie dem Stiefelmesser Beros ähnelte, und er riet Karl, sie ebenfalls im Stiefel oder im Ärmel zu tragen, zumindest wenn er auf Reisen war. Karl trug heute einfache Schuhe und steckte die Waffe daher in den Gürtel. Sie hatten einen Krug Wein von der Feier mitgehen lassen und gönnten sich einen Schluck daraus.
Franziska und Maria hatten artig den Rundgang durch das Haus des Bräutigams mitgemacht, mit den anderen Frauen höfliches Staunen über den gut ausgestatteten Haushalt gezeigt und es nicht versäumt, die Braut wieder und wieder zu beglückwünschen. Bei den meisten Frauen waren Hochzeiten nicht zuletzt deshalb so beliebt, weil sie eine der wenigen Möglichkeiten darstellten, einen fremden Hausstand in aller Ausführlichkeit in Augenschein zu nehmen und den eigenen Gatten danach entweder entsprechend an die Kandare zu nehmen oder mit Befriedigung an den eigenen Wohlstand oder die guten Partien der eigenen Töchter zu denken. Außerdem gaben die häuslichen Güter des Brautpaares beliebten Gesprächsstoff für die nächsten Tage ab, wenn die Frauen einander auf dem Markt oder nach dem Kirchgang trafen. Nele gab sich bewusst bescheiden und ließ sich ihre Belustigung über die geübt abschätzenden Blicke der Bürgersfrauen nicht anmerken. Als die Bürgersfrauen schließlich unter Ausdruck ihrer Anerkennung das Haus verlassen hatten, entließ Nele auch Tochter und Schutzbefohlene mit einem Lächeln und machte sich daran, sich für die Nacht fertig zu machen und auf den Gatten zu warten.
Beschwingt liefen die beiden Mädchen den kurzen Weg zu Neles Haus. Es dämmerte bereits ein wenig, aber die Sicht war noch gut, und sie machten sich keine Gedanken darüber, die paar Schritte ohne männlichen Schutz zu gehen.
Kaum hatten sie Neles Haus erreicht und den Hof betreten, ging alles blitzschnell. Die schwere hölzerne Tür des Stofflagers, das die Mädchen passieren mussten, schwang auf, und drei Männer sprangen auf sie zu. Der größte von ihnen riss Maria an beiden Armen durch den Eingang und schleuderte sie brutal gegen eine Wand. Der Hinterkopf des Mädchens schlug hart gegen einen eichenen Balken des Fachwerkbaus. Franziska entfuhr noch ein kurzer Schrei, als die beiden anderen Männer sie schon packten und in den Raum zerrten. Sie stolperte und ein Stoß des Jüngeren ließ sie hart auf ihr Gesicht fallen. Mit raschem Griff drehte der Kerl sie auf den Rücken und zerrte ihre Röcke hoch. Nochmals versuchte Franziska zu schreien, als sie plötzlich ein schweres Gewicht auf ihrem Gesicht spürte und sie kaum nochLuft bekam. Nur ein gedämpftes Keuchen war zu hören. Übelkeit stieg in ihr auf, als sie verschwitzte Finger auf ihren Schenkeln fühlte. Sie würgte und hustete. Sie war unfähig, sich zu bewegen. Irgendjemand hielt ihre Arme fest, während ihre Beine gnadenlos auseinandergespreizt wurden.
Ludwig verschluckte sich, als er Franziskas Schrei vernahm, und der Wein rann ihm über Kinn und Brust. Die Jungen hörten, wie das schwere Tor des Stofflagers mit einem lauten Krachen zuschlug. Erschreckt sahen sie einander an und verharrten für einen
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