Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Rasch griff er sich einen frischen Bogen, setzte sich mit Tinte und Feder an seinen Tisch und fertigte ein weiteres Dokument aus, das er siegelte und mit den anderen in ein hölzernes Kästchen packte. Sorgfältig wickelte er es in Wachstuch und verschnürte es mit einem Riemen.
»Nürnberg«, raunte er Karl zu. »Du kennst meinen Vetter Isaak. Er wird helfen. Reitet rasch.«
»Unsere Schwester«, sagte Karl, »das Kloster will doch noch …« Der Alte machte eine abwehrende Handbewegung. Er besaß Schuldtitel der Abtei, die einzulösen wahrscheinlich schwierig wäre, doch um Maria freizukaufen, waren sie wie geschaffen. »Keine Sorgen deswegen. Und jetzt reitet los!«
Zum ersten Mal in all den Jahren seit er ihn als Lehrling aufgenommen hatte, umarmte er den Jungen wie einen Sohn, bevor er ihn mit einem stummen Nicken entließ. Die beiden Brüder bestiegen ihre Pferde und ritten in die noch junge Nacht. Zacharias blieb vor seinem Haus stehen und sah sie im Dunkel verschwinden. Gott alleine wusste, ob er sie jemals wiedersehen sollte.
BUDWEIS Juni 1298
Franziska saß in der Werkstatt und arbeitete an einem Kleid, das eine wohlbestallte Meisterfrau in Auftrag gegeben hatte. Die Kundin hatte Obergewand und Umhang einer anderen Bürgersfrau gesehen, und die neuartigen Knopfverschlüsse hatten sie begeistert. Es waren erst wenige Wochen seit ihrer Erfindung vergangen, doch hatten die Mädchen schon eine ganze Reihe neuer Aufträge. Budweis war eine reiche Stadt, und die Hochzeitskleider Hermanns und Neles waren eine unschätzbare Werbung gewesen.
Maria war Franziska eine große Hilfe geworden. Das Nähen ging ihr gut von der Hand, und sie machte sich bereitwillig überall in der Werkstatt nützlich, doch ihre eigentliche Stärke lag in der Organisation der Schneiderei. Franziska selbst war einfallsreich, schnell in der Umsetzung, und ständig hatte sie neue Ideen. Maria hingegen verteilte die Aufgaben geschickt unter den Näherinnen und kümmerte sich um die Verwaltung der Materialien. Doch nicht nur die gemeinsame Arbeit und die neue Mode hatten das Leben der Mädchen verändert. Seit dem Ereignis vor sechs Wochen war Hermann kaum wiederzuerkennen. Er wirkte argwöhnisch und wachsam wie ein alter Wolf, der sich um sein Rudel sorgte. Es war an dem fraglichen Abend noch mehr geschehen, als die beiden Mädchen wahrgenommen hatten und das Nele und Hermann ihnen auf keinen Fall erzählen wollten.
Bero und Haymo hatten die Nacht in der Werkstatt verbracht und der alte Wundarzt hatte sein Möglichstes getan, die Folgen ihrer Verletzungen zu mindern. Haymos Dolchstich war weder gefährlich noch schwer, er hatte großes Glück gehabt. Die Wunde wurde gereinigt und verbunden, und nach ein paar Wochen war er wieder der Alte. Bei Bero hingegen sah die Sache schlimmer aus: Die Scherenspitze hatte eine tiefe Wunde in sein Gesicht gerissen, und es würde immer eine lange Narbe zu sehen bleiben. Noch schlimmer war jedoch die Verletzung des Auges. Der Budweiser Wundarzt verstand nur wenig von Augenheilkunde und seine Künste genügten nicht zum Erhalt des vollständigen Augenlichts. Er konnte die Wunde reinigen, den Blutfluss stillen und das zerfetzte Lid versorgen, doch das verletzte Innere des Auges überforderte ihn. Der Augapfel schien vorerst erhalten zu bleiben, doch das Auge war seltsam starr und blickte unverwandt in die Ferne, während dasandere normal auf Licht und Bewegung reagierte. Der Edelmann würde in Zukunft wohl einäugig leben und eine Augenklappe tragen müssen. Die sonstigen Verletzungen, eine gebrochene Rippe und zahlreiche Prellungen waren nicht der Rede wert und der Arzt würdigte sie keiner Behandlung.
Nele war leichenblass geworden, als Hermann endlich in ihre Schlafkammer kam und von dem schrecklichen Ereignis berichtete. »Bitte, sorg dafür, dass die Kerle die Kinder nie wieder anrühren. Sie müssen es schwören, hörst du?«, stammelte sie fassungslos, während sie sich ankleidete, um sofort nach den Mädchen zu sehen. Ohne weiter über ihre Worte nachzudenken, lief sie in ihr Haus.
Düster und schweigsam lagen die beiden Männer auf improvisierten Liegen. Nachdem der Arzt gegangen war und sie sich nach Schlaf und Erholung von den Schmerzen sehnten, erschien Hermann in dem Raum. Seine Faust schloss sich um das Ende einer schweren hölzernen Keule, wie sie Fuhrleute gern mit sich führten. Drohend baute er sich vor den beiden Edelmännern auf.
»Nennt mir einen Grund, warum ich Euch
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