Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
säumte die Nähte des feinen, seidenen Kleidungsstückes, das geschickt mit langlebigem Wollstoff unterfüttert war und der stämmigen Figur des Zimmermannes schmeichelte. Auch dieses Kleidungsstück war vorne und sogar an den Manschetten mit Knöpfen zu schließen. Ebenso waren die Beinlinge des Mannes nicht nur am Hosenlatz, sondern auch an den Außenseiten der Unterschenkel zuzuknöpfen, was ihnen eine schneidige und sportliche Note verlieh.
Das Ehepaar war hoch zufrieden und trug die Kleider schon bald darauf bei der Hochzeit eines bekannten Bürgers. Sie erregten großes Aufsehen. Umgehend folgten die nächsten Aufträge anderer wohlhabender Stadtbewohner.
Der Juni war längst angebrochen; es waren nur noch wenige Tage bis zur Sonnenwende. Franziska hatte Maria schon viel davon erzählt, von den Feuern, die gut sichtbar rings um die Stadt entzündet wurden, und wie überall gefeiert wurde. Auch die Zünfte feierten das Fest. Wie es sich gehörte, würde es einen Gottesdienst geben, bevor man sich vor den Zunfthäusern zu Speis und Trank und allerlei Zerstreuung traf. Hermann hatten die Feiern immer viel Spaß bereitet, und jetzt, mit der neuen Ehefrau und zwei ansehnlichen Töchtern an der Seite, würden sich die Mitglieder der verschiedenen Gilden nur so um ihn scharen, zumindest die, die heiratsfähige Söhne hatten. Hermann würde die Gespräche für seine Geschäfte nutzen, für den Pferdehandel wie für die Schneiderei, so ungleich die beiden Gewerbe auch waren. Franziska hatte eigens für diesen Anlass einen seiner schönsten Röcke umgearbeitet – auch dieses Kleidungsstück wurde jetzt von Knöpfen gehalten, ebenso wie das Kleid, das Nele zu tragen beabsichtigte.
Franziska und Maria arbeiteten von morgens bis abends. Bisher gab es die neue Knopftechnik nur bei ihnen, doch Franziska wusste, dass sie schnell kopiert werden würde, und legte daher größtes Augenmerk auf vollendete und aufwändige Ausführung ihrer Schöpfungen. Drei ihrer Näherinnen waren nun ausschließlich mit dem Nähen von Knopflöchern beschäftigt und wurden darin von Tag zu Tag geschickter, auch wenn die vielen Knöpfungen, die Franziska sich ausdachte, die Arbeitsdauer pro Kleidungsstück beträchtlich verlängerte und den Fertigungsaufwand in die Höhe trieb. Manche ihrer Kunden mussten sich daher schon bald auf längere Wartezeiten einstellen, aber das war nun einmal nicht zu ändern, wenn man sich exklusiv ausstaffieren und von anderen abheben wollte. Die Mädchen hatten sich vorgenommen, so viele Aufträge wie möglich zu erfüllen und sich einen Namen zu machen, bevor andere Schneider ihren Stil und die neue Technik nachahmten.
*
Es war noch zeitig in der Früh, kaum dass die Sonne richtig aufgegangen war, als die Büttel an das Haustor pochten und nach Hermann verlangten. Der Rosshändler hatte seine frühmorgendliche Runde durch die Stallungen und über die Weiden hinter sich gebracht und sich gerade an sein Frühstück gesetzt, das wie immer aus Brot, Fleischresten, Käse und verdünntem Bier bestand. Sie kamen zu viert, hatten Stricke und eine Kette bei sich. »Nanu?«, sagte Hermann erstaunt, als sie seine Stube betraten, »was wünscht Ihr so früh am Tage? Hier ist niemand, der …«
»Seid still, Rosshändler. Ihr seid es, den wir suchen. Und Ihr wisst auch, weshalb.«
Verwundert sah Hermann auf den Hauptmann, der die Hand drohend an den Knauf seines Schwerts gelegt hatte. »Leistet keinen Widerstand«, fügte er gewichtig hinzu.
Hermann sah ihn weiterhin überrascht an. »Was soll gegen mich vorliegen?«, fragte er schließlich.
»Heimtückischer Überfall auf drei Edelmänner in trunkenem Zustand, Mord und schwere Verletzung. Außerdem habt Ihr Euren Spießgesellen zur Flucht verholfen. Es sieht nicht gut für Euch aus, Rosshändler.«
Hermann sackte in sich zusammen. Er schalt sich einen Narren und Esel. Viel zu weich und anständig war er gegenüber Bero von Restwangen gewesen, genauso wie die braven Jungen. Keinen Zoll weit hätte er dem Ritter und seinem Wort trauen dürfen. Hätten er oder die beiden Burschen ihn nur mundtot gemacht, solange sie noch die Gelegenheit dazu hatten!
Er blickte auf. »Wer klagt mich an?«, fragte er, obwohl er die Antwort bereits kannte.
»Das fragt Ihr? Ihr hattet Streit mit dem jungen Herrn von Restwangen und dessen hochwohlgeborenen Begleitern. Es ging um ein Pferd, das Ihr zum Verkauf angeboten habt, obwohl es Euch gar nicht gehörte. Als Ihr nicht liefern
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