Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
dass keine sonstigen Vermögenswerte des Verurteilten bei ihm hinterlegt waren. Da keine Nachricht aus Restwangen eintraf, dass Siegfried auf das Vermögen Neles verzichtete, war das gesamte beurkundete Eigentum der Frauen verloren, und sie konnten nicht riskieren, auch nur ein einziges ihrer sorgfältig gehüteten Goldstücke hier in Budweis auszugeben, zu groß war die Gefahr, dass man ihnen die Büttel auf den Hals hetzen und sie wegen Betrugs an Stadt und Lehnsherr verurteilen würde.
»Verlasst Böhmen und zieht nach Österreich oder besser noch nach Bayern«, riet Zacharias ihnen. »Außerhalb des Königreichs kann das Urteil eines einfachen Stadtvogts nicht durchgesetzt werden. Dort könnt Ihr ein neues Leben beginnen und mit Euren verbleibenden Mitteln eine neue Schneiderei gründen.«
Ein Vetter und guter Freund Hermanns, der Fuhrmann Ditgurd, war mit seinem Fuhrwerk am Tag der Hinrichtung in Budweis eingetroffen. Als er sich überraschend schnell, schon einen Tag nach seiner Ankunft, im ersten Morgengrauen wieder auf den Weg machte, folgte ihm ein zweispänniges Fuhrwerk mit drei Frauen.
ZWEITER TEIL
ÖSTERREICH Juni 1298
Die Brüder ritten die ganze Nacht durch. Das Wetter war gut und das Licht von Mond und Sternen zeigte ihnen den Weg. Dank seiner Reisen, die er in den letzten Jahren für Zacharias unternommen hatte, kannte Karl das Land und führte sie durch Südböhmen und den Böhmerwald in Richtung des Donautals. Viele Meilen waren sie durch den dichten und finsteren Wald geritten, dann brauchten die Pferde dringend eine Verschnaufpause, und die beiden Reiter steuerten eine Schänke an, vor der mehrere Tiere anderer Reisender standen.
»Und wenn man uns nun schon verfolgt, was dann?«, fragte Ludwig besorgt.
»Wer soll uns denn verfolgen?«
»Na, denk mal nach. Budweis hat eine Stadtwache und Restwangen mehrere Männer unter Waffen. In allzu viele Richtungen konnten wir nicht fliehen, und das wissen sie bestimmt.«
»Sie werden sich nicht aus Böhmen herauswagen, es sei denn, sie wollen Ärger mit den Königstruppen.«
»Wo sind wir jetzt eigentlich?«
»Schon längst in Österreich. Die Grenze verläuft teilweise direkt durch den Wald, teilweise weiter südlich. Wenn uns hier ein Bewaffneter begegnet, dann gehört er zu einem Vasallen des Herzogs von Österreich.«
Ludwig nickte. Österreich. Einer der wichtigsten Teile des südlichen Reichs, regiert von Albrecht von Habsburg.Er hatte in den letzten Wochen einiges an politischen Gesprächen zwischen den Burgherren und ihren Gästen mitbekommen. Die deutsche Krone wackelte sichtbar auf dem Kopf des schwachen Königs Adolf von Nassau, und es ging bereits das Gerücht, dass die Kurfürsten sich in Kürze versammeln wollten, um Adolf abzuwählen und Albrecht von Habsburg die Krone anzutragen. Einer solchen Schmach wollte Adolf jedoch entgehen. Er rüstete ein Heer und trachtete, so bald wie möglich gegen Albrecht zu Felde zu ziehen.
Ludwig und Karl stärkten sich mit einem Frühstück aus kaltem Braten, frischem Brot und verdünntem Bier, nachdem sie die Versorgung der beiden Reittiere überwacht hatten, die den nächtlichen Ritt gut überstanden hatten.
»Wohin soll es nun weitergehen?«, fragte Ludwig.
»Zacharias hat Nürnberg empfohlen. Dort soll ich seinen Vetter Isaak aufsuchen und mit ihm das Weitere besprechen. Vielleicht kann er ja einen Gehilfen brauchen.«
Ludwig nickte. Karl würde sich schnell zurechtfinden, davon war er überzeugt. Überall, wo Handel getrieben wurde, würde man sich um einen Mann mit seinen Fähigkeiten reißen. Seine eigene Zukunft sah er hingegen weniger klar. Er war ein Edelmann und Sohn eines ehrenvollen Kreuzritters, jedoch war sein Vater Franzose gewesen und obendrein nur ein Drittgeborener, der es trotz seiner Verdienste nie zu einem eigenen Lehen gebracht hatte. Er selbst war mittlerweile Knappe, hatte eine gute Ausbildung genossen, aber noch nicht einmal seine Schwertweihe empfangen, die es ihm ermöglicht hätte, sich zu rüsten und für einen Fürsten in den Kampf zu ziehen. Im Grunde genommen, war er gar nichts.
Karl sah ihn fragend an. »Ich muss mir wohl einen neuen Herrn suchen«, sagte Ludwig schließlich. »Mich bei ihm bewähren und so rasch wie möglich Edelknappe werden. Danach werde ich auf Seiten Albrechts dienen, vielleicht irgendwann den Ritterschlag empfangen, und wenn der Himmel es gut mit mir meint, vielleicht eines Tages ein eigenes Lehen …«
Karl sah ihn lange
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