Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Tag zum Feiern!«
ÖSTERREICH UND BAYERN Juli 1298
Nicht ahnend, dass Ludwig und Karl denselben Weg genommen hatten, zogen die drei Frauen in Begleitung Ditgurds erst südlich und anschließend westwärts Richtung Reichsmitte. Nach wenigen Tagen erreichten sie Passau. Das reiche Fürstbistum mit seinem fast fertig gestellten Dom, dem Bischofspalast und den steingepflasterten Straßen beeindruckte sie, doch erschien ihnen die Stadt für ihren Plan zu klein, reichspolitisch zu unbedeutend.
Sie einigten sich, nach Regensburg und Nürnberg weiterzureisen. Ditgurd brummte sein Einverständnis, sie weiter zu begleiten, und erklärte ihnen, dass beide Städte zwar reich und bedeutend, ihre Zünfte jedoch sehr ihren alten Regeln verhaftet waren.
Regensburg war enttäuschend. Als alleinstehende Frauen wurden sie von der Zunft nicht einmal angehört. So setzten sie ihre Reise fort, nachdem Ditgurd seine Geschäfte in der Stadt abgeschlossen hatte.
Nürnberg gefiel ihnen vom ersten Augenblick an. Die Stadt war größer und traditioneller als das kleine und provinzielle Budweis. Seit vielen Generationen lebten hier Adel und gehobenes Bürgertum. Die wichtigen Straßen waren mit Holz und teilweise sogar mit Stein gepflastert und wurden von eleganten Fachwerkhäusern gesäumt. Die Häuser der inneren Stadt hatten allesamt zwei und mehr Stockwerke, und die Fenster vieler Häuser ließen ihr Licht nicht durch einfache Schweinsblasen, sondern durch teures Glas fluten. Eine große Kirche, die gerade im Begriff zu entstehen war, ließ ihre beeindruckenden Formen bereits gut erkennen, und die drei Frauen besahen ehrfürchtig den enormen Grundriss des ganz aus Stein gebauten Gebäudes.
Nachdem sie die Stadt besichtigt und sich in einer Herberge einquartiert hatten, suchten Nele und die beiden Mädchen das Haus der hiesigen Schneiderszunft auf. Nele schilderte dem immerhin gesprächsbereiten Zunftmeister ihre langjährige Meisterschaft und das gut gehende Geschäft, das sie viele Jahre als Witwe ihres Mannes geführt hatte. Mit Stolz erzählte sie, dass ihre Tochter gerade erst die jüngste Schneidermeisterin von Böhmen geworden war. Die bedeutendsten Persönlichkeiten der Stadt Budweis hatten bereits bei ihr fertigen lassen.
»Nun, wir Nürnberger kennen die Bräuche in Böhmen nicht so gut«, erwiderte der Mann mit höflicher Zurückhaltung, »aber Budweis ist meines Wissens eine sehr junge Stadt, vor kaum mehr als dreißig Jahren gegründet, wie man sagt. Deshalb ist es wohl auch nicht verwunderlich, dass dort andere und mit Verlaub eigenartige Sitten herrschen. Hierzulande ist es jedenfalls nicht üblich, dass Frauen Geschäfte eröffnen, die der Zunft und ihren Meistern vorbehalten sind. Natürlich gibt es die Möglichkeit, für einen begrenzten Zeitraum und nach Entscheid der Meisterschaft einen Witwenbetrieb zu führen, aber die Voraussetzung dafür liegt ja auch bei wohlwollender Betrachtung nicht vor. Und eine so junge Meisterin …« Er sah Franziska in die Augen, hob bedauernd die Schultern und schüttelte schließlich den Kopf. »Beim besten Willen, ich kann Euer Vorhaben so nicht befürworten, so leid es mir auch tut. Aber ich will Euch einen väterlichen Rat geben, junge Frau: Sucht Euch einen Meister, der Euch heiratet oder seinen Sohn gibt, so könnt Ihr auf diesem Weg als Meisterin Eurem Beruf weiterhin nachgehen. Einer unserer angesehensten Schneider ist Witwer, und ich könnte mir vorstellen, dass …« Er sprach nicht weiter, als er sah, wie Franziska die Zornesröte ins Gesicht stieg. »Ich meine es nur gut mit Euch, Jungfer. Denkt darüber nach!«
Tröstend legte Nele ihrer Tochter eine Hand auf den Arm, als sie das Haus des Meisters verließen. Ditgurd hatte sie ja schon bei der Abreise gewarnt, und die Haltung der Zünfte war voraussehbar gewesen. An keinem der vielen Orte, die der Fuhrmann schon bereist hatte, hatte er Geschäfte gesehen, die von Frauen betrieben wurden, abgesehen von Witwen.
»Ich gebe trotzdem nicht auf. Vielleicht kann man ja mit einem der Schneider vor Ort verhandeln«, schlug Franziska vor. »Er bleibt Meister, und wir fertigen unsere Kleider nach unseren Vorstellungen.«
Es gab fünf große und namhafte Schneiderwerkstätten mit zahlungskräftiger Kundschaft in der Stadt sowie einige kleinere, in denen einfache Kleider für das gemeine Volk hergestellt wurden. Die ersten beiden, die sie aufsuchten, konnten sich nicht dazu entschließen, drei Frauen gleichzeitig
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