Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Knicks und Karl seine Verbeugung vorgeführt hatten, begann der Mann zu sprechen:
»Montardier, welch Überraschung! Schön, Euch so bald wiederzusehen.« Er wandte sich dem Schneidermeister zu. »Meine Gemahlin wünscht ein Kleid von der böhmischen Meisterin, prächtiger noch als das von dieser Witwe Elsbeth.Ein Festtagsgewand für eine Frau von Stand. Was könnt Ihr anbieten?«
»Nun … was Ihr wünscht«, sagte Walram zögernd und fragte nach einem Räuspern: »Wann dürfen wir Euch unsere Aufwartung machen?«
»Unverzüglich. Das heißt, nachdem ich meine Geschäfte erledigt habe. Ich werde im Stadtrat erwartet, darum komme ich auch persönlich zu Euch, ist schließlich ein Weg. Findet Euch am Nachmittag bei mir ein, alles Weitere wird dann besprochen.« Er nickte den Frauen kaum merklich zu und verließ das Geschäft so rasch, wie er gekommen war. Walram war blass geworden.
»Ihr seht ja aus, als wäre Euch der Leibhaftige begegnet«, sagte Franziska. »Hat der Mann Euch erschreckt? Wer war das überhaupt?«
Karl antwortete für ihn. »Er heißt Schürstab. Er und sein Vetter waren gestern auch beim Bischof zu Gast. Der Bischof scheint sich das Wohlwollen des großen Geldes zu sichern. Die Schürstab sind Kaufleute und Bankiers und haben ihre Finger in allerlei Geschäften, angeblich von Spanien bis Asien und von Nord bis Süd. Angeblich hat sich der alte König Rudolf schon Rat bei ihnen geholt. Im Geheimen natürlich. Zacharias und Isaak haben schon oft Geschäfte mit ihnen gemacht. Ich habe mich ihnen gegenüber aber nicht als Geldverleiher zu erkennen gegeben. Schlau, nicht wahr?«
»Kommt sein Vetter jetzt am Ende auch noch?«, fragte Franziska.
»Nein«, antwortete Karl, der gerade das Geräusch einer Kutsche und aus dem Fenster gesehen hatte. »Er ist schon da.«
Franziska vermochte es kaum zu fassen. Ohne den Preisen allzu viel Bedeutung beizumessen, hatte die Familie Schürstab Festtagskleider, Kleider für den Kirchgang und für die kommende kühlere Jahreszeit bestellt. Der Auftrag würde die Schneiderei für mehrere Wochen vollständig auslasten, falls nicht rasch neue und gute Arbeitskräfte gefunden wurden. Die beiden ersten Kleider sollten besonders zügig geliefert werden, da eine hohe Einladung bevorstand, der Rest der Garderobe bis Ende August.
In kürzester Zeit war die neue Mode in aller Munde. Ein bekannter Adeliger und die Schürstab ließen seit Neuestem bei der böhmischen Meisterin in Walrams Geschäft arbeiten, wurde auf den zahlreichen Gesellschaften getuschelt, und noch ehe die ersten Kleider geschneidert waren, gingen Bestellungen ein.
Bald musste die Werkstatt vergrößert werden. Genäht wurde nun im Hinterhaus und in der ehemaligen Scheune. Der alte Stall musste kurzfristig als Stofflager dienen, bis ein entsprechender Anbau fertig gestellt war. Karl hatte Walram überredet, Franziska, Maria und ihn als Teilhaber aufzunehmen, die das nötige Kapital zur Führung des neuen Betriebs beisteuern sollten. Dringend benötigte die Schneiderei nun noch weitere Arbeitskräfte, vor allem Näherinnen. Maria fragte die beiden Gesellen, ob sie nicht Frauen oder Mädchen kannten, die gute Arbeit suchten und mit Nadel und Faden umzugehen wussten. Der Ältere von ihnen, ein nicht viel mehr als dreißigjähriger Mann mit Namen Josef sprach gleich von seinem Weib, das derzeit niedere Dienste bei einem Fleischer verübte, und von seiner Tochter, die auf ihre Mitgift sparte. Schon am nächsten Tag saßenzwei frisch geschrubbte, ärmlich, aber ordentlich gekleidete und viel zu magere Frauen in der Werkstatt. Die Jüngere von ihnen war höchstens zwölf Jahre alt. Der andere Geselle, noch jung und unverheiratet, hatte einen kleinen Bruder, um den er sich sorgte. Die Eltern waren schon lange tot, und die beiden Söhne konnten von seinem bisher kargen Lohn zwar einigermaßen leben, doch Lehrgeld für den Jungen aufzubringen war der Geselle nicht imstande. Der kleine Trudbert war elf Jahre alt, spindeldürr und immer ein wenig schmutzig. Er hatte noch nie eine Schule und selten eine Kirche von innen gesehen und verbrachte die meiste Zeit auf der Straße. Gelegentlich half er bei einem Gerber oder dem Abdecker und verrichtete die Arbeiten, für die sich kaum jemand fand. Sein Bruder musste ihn ziemlich ins Gebet genommen haben, da der Bengel sich gegenüber Franziska und Maria von seiner besten Seite zeigte. Karl gefiel er sofort, und da er geschickte Finger hatte, bekam er einen Platz
Weitere Kostenlose Bücher