Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
an einem der Nähtische.
Sie fanden noch einige junge Mädchen, denen der Beruf der Näherin gefiel und die froh waren, im Trockenen und winters sogar im Warmen arbeiten zu können. Walram übernahm die Ausbildung der neuen Näherinnen.
Täglich besuchte er seine todkranke Frau und erzählte ihr von den Wundern, die plötzlich in der Schneiderei geschahen. An dem Tag, als er ihr von den Neueinstellungen der Näherinnen und des kleinen Burschen erzählte, von den neu gekauften Stoffen und den vielen schönen Knöpfen, die von einem Silberschmied und einem Hornschnitzer geliefert wurden, lächelte sie trotz ihrer Schmerzen und freute sich von ganzem Herzen mit ihm. Am selben Abend schloss sie die Augen und öffnete sie nie wieder.
Graf Meynhard war nach zehn Tagen zur Anprobe erschienen, wieder in Begleitung der schönen Elsbeth. Die Hosen passten wie angegossen, der Rock war ein Meisterwerk. Die Kombination der Farben des Oberkleides war auffällig und außergewöhnlich. Der kräftige dunkelrote Wollstoff war von spitz zulaufenden Streifen von ockerfarbener Seide durchbrochen, die in einen glänzend schwarzen Kragen, verbrämt mit dem Fell zweier Zobel, mündeten, das sich bis in die Aufschläge des Rockes fortsetzte. Wenige Goldfäden betonten die Neuheiten des Kleidungsstückes, die verdeckte Knopfleiste und die Umrandung des gräflichen Wappens. Ein Kleidungsstück, das eines Königs oder Papstes würdig war. Der Graf war mehr als zufrieden. Umgehend gab er weitere Beinlinge und einen Jagdrock in Auftrag, unbedingt mit Knöpfen und so geschnitten, dass er zu Pferde und zu Fuß Eindruck machte. Nach einem diskreten Hinweis Elsbeths bestellte er noch ein dezentes dunkles Kleid für ernste kirchliche Feiern oder politische Anlässe für sie.
Meynhard war an diesem Tag in Geberlaune. Er hatte Nachricht vom Sieg des Habsburgers und vom Tod Adolfs erhalten, und seine Einladung zum königlichen Rat war erneuert worden. Er sollte sogar an der feierlichen Ernennung Albrechts zum gesamtdeutschen König sowie der Krönungszeremonie teilnehmen, was ihn mit tiefstem Stolz erfüllte. Um seine Freude zu teilen, lud er Karl, den jungen Edelmann zu einem abendlichen Mahl im Kreise enger Freunde ein.
Üblicherweise lebte Meynhard in einer befestigten Anlage, etwa ein Dutzend Meilen von Nürnberg entfernt. Für seine längeren Aufenthalte in der Stadt hatte er das leerstehende Haus eines ohne Familie verstorbenen Ratsherrn erstanden, eine Wohnstatt, in der schon die höchsten Herrengenächtigt hatten, wenn der König in Nürnberg Hof hielt. Die Halle des Hauses war beeindruckend. Polierte Waffen und Wandteppiche zierten die Mauern, das Licht des frühen Abends schien durch die geöffneten Fenster, die Tafel war prachtvoll gedeckt. An jenem Abend standen auf der Gästeliste ein jüngerer Verwandter, drei Edelmänner auf der Weiterreise nach Frankfurt und ein gutaussehender junger Geistlicher, der eine elegante schwarze Robe und ein schön gearbeitetes Brustkreuz trug. Er war wohl nur wenige Jahre älter als Karl und schien sich eher auf eine politische als eine seelsorgerische Laufbahn vorzubereiten.
Zwei der Edelmänner waren in Begleitung ihrer Gemahlinnen, von denen eine dem Priester immer wieder begehrliche Blicke zuwarf. Beide Damen gaben sich Mühe, nicht neidisch zu wirken, wann immer ihr Auge auf das Kleid Elsbeths fiel, die zwar nicht unmittelbar neben dem Grafen, aber dennoch auf einem Ehrenplatz saß. Karl hatte das Vergnügen, neben ihr zu sitzen.
Meynhard betonte mehrmals, dass er dem gesunden Landleben gegenüber den Stadtaufenthalten den Vorzug gab und dass er, wann immer er bei Hof sei, sich auf den Tag freue, an dem er wieder über seine Felder reiten konnte. Er hielt wenig von allzu extravaganten Speisen und hatte deshalb nur Fisch aus den nahen Auen, Enten und Fasane sowie einen herzhaften Braten auftragen lassen. Dazu gab es einen kräftigen Wein.
»Montardier«, sagte einer der Edelmänner während des Mahles zu Karl, »seid Ihr ein Verwandter dieses wagemutigen Burschen, der sich zu Fuß und ohne Rüstung dem heranstürmenden Adolf entgegengestellt und ihn aus dem Sattel gehoben hat? In den letzten Tagen ist viel darüber gesprochen worden.«
»Verzeiht, ich habe von dieser Heldentat noch nichts vernommen, aber ich habe einen Bruder, Ludwig von Montardier, der unter einem österreichischen Grafen zu Albrechts Heer gezogen ist. Ich würde ihm eine solche Tat zutrauen. Wisst Ihr noch mehr
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