Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Edelfrau die Schleife ihres Hemdes oberhalb des Mieders. Sie trat nahe an den jungen Mann heran, und er fühlte, wie ein Finger wie spielerisch die Innenseite seines Oberschenkels emporfuhr. Gleich darauf fühlte er ihre Brüste an seinem Oberkörper. Ihre Lippen näherten sich seiner Wange. Während seine Arme sie umschlossen, küsste sie seinen Hals und flüsterte: »Ich bin ganz Euer.«
*
Über all der Arbeit war der Herbst ins Land gegangen, und die Schneiderei wurde immer erfolgreicher. Einige der wichtigsten Familien der Nürnberger Gesellschaft trugen Franziskas Kleider, Männer wie Frauen schmückten sich mit den elegant gefertigten Stücken. Mit immer neuen Details und Raffinesse machte Franziska ihre Entwürfe noch phantasievoller und begehrenswerter. Ihre neueste Idee war es, zu dem von ihr erfundenen abknöpfbaren Oberteil ein zweites oder drittes zu nähen, sodass die Trägerin bis zu drei Kleider statt nur eins besaß. In Verbindung mit einem zweiten oder dritten Rock konnte eine Dame von Stand so mit wenigen Stücken eine außergewöhnlich umfangreiche und abwechslungsreiche Garderobe aufbauen. In dieser Jahreszeit wurden wärmere Kleider gewünscht, und der in dieser Gegend sehr kalte und feuchte Winter, in dem die zugigen und meist schlecht beheizten Gemäuer nur selten Behaglichkeit boten, würde noch dickere Stücke erfordern. Franziska und Maria hatten sich schon im August darüber Gedanken gemacht, wie sie hübsche und zugleich wärmende Kleider zaubern konnten. Isaak freute sich über den Verkauf seiner Pelze und hatte weitere Quellen aufgetan, diese zu günstigen Einkaufspreisen zu besorgen.
Der Kaufmann ließ sich nur selten persönlich sehen, zumeist bediente er sich Karls als Mittelsmann. Isaak hatte in seiner Jugend häufig erleben müssen, wie man mit Angehörigen seines Volkes umging, wenn man ihnen Erfolg und Vermögen neidete, und zog es daher vor, im Hintergrund zu wirken.
Mittlerweile arbeiteten vierzehn Näherinnen für Franziska. Dazu die beiden Gesellen, denen sich ein Dritter angeschlossen hatte und der kleine Trudbert. Walram genoss dieAchtung, die ihm nun entgegengebracht wurde, und dass er bei den entscheidenden unternehmerischen Fragen nur wenig mitzureden hatte, machte ihm nichts aus.
Karl, der neben den Geschäften, die er mit Isaak betrieb, immer ein Auge auf die Schneiderei und vor allen Dingen auf seine Schwester hatte, sah, wie glücklich Maria war. Aus dem Nesthäkchen der Familie und der behüteten Klosterschülerin war eine selbstbewusste junge Frau geworden, die Herausforderungen suchte und Belastungen nicht scheute. Ihre Aufgaben in der Schneiderei meisterte sie mit Eifer und Begeisterung. Karl war stolz auf sie, er gönnte ihr ihre Erfüllung. Aus diesen Gründen hatte er es bisher auch unterlassen, mit ihr über ein Leben an einem Adelshof und eine spätere Heirat zu sprechen. Ihr Vermögen wuchs dank des Erfolgs der Werkstatt stetig, und sie würde sich ohnedies nicht mehr mit einem Nachgeborenen oder einer sonstigen zweiten Wahl zufriedengeben müssen, also bestand seiner Ansicht nach auch kein Grund zu besonderer Eile, sie unter die Haube zu bringen. Wie Franziska würde sie eine der wenigen Frauen sein, die ihr zukünftiges Glück durch eigene Arbeit und eigenes Vermögen selbst aufbauen konnten. Karl wusste, dass dies ein großes Geschenk war und dass eigentlich alles um ihre Zukunft zum Besten stand, doch im Gegensatz zu der Leichtigkeit, mit der er sich sonst schweren Aufgaben stellte, fiel es ihm ungewohnt schwer, die Schwester beiseitezunehmen und Zukunftspläne mit ihr zu schmieden. Trotzdem, man konnte das Thema nicht ewig aufschieben, das wusste er und hoffte, bald mit Ludwig über diese Frage sprechen zu können.
Die Dame, die Karl in der Herberge so offenherzig empfangen hatte, war mit ihrem Gemahl bald nach dem Schäferstündchen weitergereist, jedoch nicht, ohne zuvor zur Anprobe bei Franziska zu erscheinen. Das Kleid passte mit nur geringen Änderungen sofort. Ihren Liebhaber, der zu dem Zeitpunkt ebenfalls in der Schneiderei weilte, würdigte sie bei ihrem Abschiedsbesuch keines Blickes und auch Karl spielte den Ahnungslosen und gab sich durch nichts zu erkennen.
Dennoch musste die Frau in einer schwachen Stunde ihr kleines Geheimnis mit jemandem geteilt haben, denn einige Tage nach der Abreise der Gespielin steckte Trudbert Karl überraschend wieder ein Briefchen zu.
»Jetzt seid Ihr aber überrascht, mein Bester!«, sagte Elsbeth
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