Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
üppiger als bei allen Feiern zuvor. Die Gäste schmausten und zechten ausgiebig, und es herrschte eine ausgelassene Stimmung.
Bevor es dämmerte und die Damen sich zurückziehen würden, erhob Walram sich, um eine kleine Ansprache zu halten:
»Werte Gäste! Ihr, die ihr mich schon seit vielen Jahren kennt, wisst um mein Los. Mein erstes Weib verschied und ließ mich kinderlos zurück. Mein Geschäft war bescheiden, und mein weiteres Schicksal schien unabwendbar zu sein. Doch der Herr meinte es gut mit mir und sandte mir einen seiner Engel. Durch die Jungfer Franziska erstarkte meine Werkstatt wieder, und trotz meiner Jahre darf ich heute das Glück einer neuen Eheschließung erfahren und mir vielleicht sogar Hoffnung auf einen Erben machen.« Er machte eine kleine Pause. Einige der Gäste kicherten.
»Ich hatte und habe Erfolg mit den Erzeugnissen meines Geschäfts. Die neue Knopfmode und die Güte unserer Ware haben uns in den letzten drei Jahren Ruhm und Wohlstand gebracht, wofür ich Gott dankbar bin. Doch ich glaube, nun ist es an der Zeit, etwas davon zurückzugeben und euch alle an meinem Glück teilhaben zu lassen.« Wieder schwieg er einen kurzen Moment.
»Ich möchte euch, Meister und Meisterinnen, eure Nachfolger und Erben sowie alle, die ihr mit der Schneiderkunstzu tun habt, einladen, unsere Technik und unsere Mode ausgiebig zu studieren und für eure Werkstätten zu verwenden. Wir wollen uns zusammentun und das ganze Land einkleiden. Die Nürnberger Knopfkleider sollen die Mode des gesamten Reiches werden!«
Mit diesen Worten hob er seinen Becher, um auf das Wohl der Gäste zu trinken. Es dauerte ein wenig, bis die Anerkennung und das Lob einsetzten, bis schließlich ein Meister namens Guntram, der einst der Wohlhabendste am Platze gewesen war, dem Redner lauthals zuprostete. »Mit meinem Besuch kannst du schon morgen rechnen – aber ich will solche Hosen, wie du sie hast!«, rief er und machte eine unmissverständliche Bewegung Richtung Hosenlatz, die die anderen Gäste mit lautem Gelächter quittierten. Alle riefen nun durcheinander, hoben ihre Becher und ließen den Bräutigam hochleben. Walram prostete ihnen nach Herzenslust zu und genoss die ungewohnte Aufmerksamkeit. Franziska blieb still und versuchte, in ihrem eleganten Kleid und unter der sittsamen Haube einen ehrenwerten und zurückhaltenden Eindruck zu erwecken. Sie hatte in den vergangenen Wochen einen Plan geschmiedet, und all die fröhlichen Gäste würden ihren Teil dazu beitragen, ihn in Erfüllung gehen zu lassen. Zufrieden ließ sie sich von den anderen Frauen in Walrams Haus führen, nahm die Schlüssel an sich und den Haushalt in Besitz.
Franziska nähte Guntrams Frau eigenhändig ein gediegenes Mieder aus feinem Leinen, das sich an verschiedene Röcke knöpfen ließ. War die Frau zunächst noch skeptisch gewesen, so war sie bald beeindruckt vom Ideenreichtum der hochwertigen Schneiderkunst. Schließlich schlug Franziskaihr vor, ebenfalls Knopfmieder dieser Art anzufertigen. Sicher wären ihre Kunden auch an den modernen Beinlingen und geknöpften Wämsern und Umhängen interessiert. Bestimmt würden die sich unter den Stammkunden Guntrams gut verkaufen. Die Frau überlegte nicht lange. Sie und ihr Mann würden das eingesessene Bürgertum bedienen, weniger die vornehmen Ratsherren oder den Adel, wie sie leicht spitz hinzufügte. Franziska nickte ergeben. »Selbstverständlich, ganz wie Ihr es für richtig haltet. Die Stadt Nürnberg hat ja so viele Bürgerhäuser! Ihr werdet reichlich zu schaffen haben.«
Ein noch junger Meister, der ein verschuldetes Geschäft geerbt hatte, fragte, wie er seine Kunden am besten versorgen konnte, die zwar einigermaßen zahlreich, aber leider nicht so gut bei Kasse waren. Franziska riet ihm, einfache Knöpfe aus Holz, Leder oder Filz zu verwenden.
Die Hochzeit lag erste wenige Tage zurück, fast alle Meister waren schon in Walrams Werkstatt zu Besuch gewesen, alle hatten sie mit neuem Tatendrang und ohne Feindseligkeit wieder verlassen. Franziska würde ihre Stammkundschaft, die gut zahlenden, aber auch schwierigen und anspruchsvollen Reichen und Mächtigen weiter versorgen. Die anderen Betriebe würden sie in Zukunft jedoch nicht mehr als Konkurrenz sehen, sondern sich ihre Technik zunutze machen und schnell wieder bessere Geschäfte machen. Darüber hinaus würde die Knopfmode sich weiter verbreiten, aber Franziskas Betrieb würde immer das Original und der Maßstab bleiben, an dem sich
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