Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
unter Überlassung allen Eigentums unterwürfig darum bat.
Zwei Tage nach dem letzten Gefecht bot Henri sich als Unterhändler an. Ohne Waffen und Rüstung, nur mit bloßen Händen, trat er alsbald vor das Tor der Eisenburg, dem letzten Rückzugsort der Belagerten, und bat, dem feindlichen Befehlshaber, Sultan Al-Ashraf Chalil, vorgeführt zu werden.
»Akkon ist gefallen. Gebt den wenigen Bürgern, die noch leben, die Möglichkeit, in ihre Heimat zurückzukehren und von Eurem großen Sieg zu berichten. Die Levante gehört Euch. Europa wird kein Kreuzfahrerheer mehr entsenden.«
»Ihr bittet um Euer Leben?«, ließ der Sultan durch seinen Übersetzer fragen.
»Nein. Ich bitte für die Männer, Frauen und Kinder, die noch in der Burg sind. Ihr Tod bringt Euch keinen Nutzen.«
»Und die Tempelritter? Sollen wir sie einfach ziehen lassen?«
»Es sind nicht mehr viele. Sie sind keine Gefahr mehr.«
»Sie könnten wieder Männer anwerben und uns erneut angreifen.«
»Das werden sie nicht. Erweist Euch großzügig und gebt ihnen freies Geleit. Der Ruhm über Eure Gnade wird Euer Verdienst und unser Dank sein und Euer Andenken unsterblich machen.« Chalil sah ihn ohne sichtbare Regung an.
»Wir haben anders entschieden. Teilt Euren Leuten dies mit.«
Henri sah den Herrscher noch einen langen Augenblick an. Schließlich verbeugte er sich und zog sich zurück. Als er gerade das Zelt verließ, traten zwei Männer an den Sultan und flüsterten ihm ins Ohr. Einer zeigte dabei auf Henri. Der Sultan dachte nach. Schließlich antwortete er den beiden und entließ sie mit einer knappen Handbewegung.
Henri trat den Rückweg in die verwüstete Stadt an, wieder begleiteten ihn Soldaten. Sie hatten die Überreste des inneren Mauerrings passiert, als sich ihnen plötzlich zwei schwarz gekleidete Männer in den Weg stellten. Beide trugen offene Schwerter. Die Soldaten traten zurück und der eine der Männer zwang Henri in die Knie und beugte sein Haupt, während der andere hinter ihn trat. Es war sinnlos, sich zu wehren. Seine letzten Gedanken wollte Henri seiner Familie widmen.
ZYPERN Mai 1291
In der Stadt herrschte Chaos. Es wimmelte von Flüchtlingen, die untergebracht, ernährt und deren Rückkehr nach Europa organisiert werden musste. In den letzten Tagen waren ständig Schiffe aus Akkon angekommen und hatten die Nachricht von der angegriffenen Stadt überbracht. Catherine stand jeden Tag am Kai und wollte die Hoffnung, ihren Mann wiederzusehen, nicht aufgeben. Oft waren die Kinder bei ihr, spielten im Hafen oder ließen sich von Rochus Geschichten erzählen. Sie hatten ein Zimmer in einem Nebengebäude des Bischofspalasts zugewiesen bekommen, noch bevor der große Strom an Flüchtlingen eingetroffen war. Rochus schlief bei den Stallknechten, was ihm nichts auszumachen schien. Diesmal war Catherine ohne Begleitung. Sie hatte lange gewartet, doch auf keinem der Schiffe waren Männer gewesen, mit Ausnahme der Galeere, auf der der König gebracht wurde, und einem Begleitschiff mit seiner Leibwache und seinen engsten Vertrauten.
Sie fragte jeden Ankömmling, ob er etwas von Henri de Montardier gehört habe, doch niemand konnte ihr Auskunft über seinen Verbleib erteilen. Ein gewisser Trost war ihr, hin und wieder zu hören, dass die Frauen und Kinder dem unaufhörlichen Bemühen Henris um Rettung der Unschuldigen ihr Leben zu verdanken hatten. Den ganzen Tag verbrachte sie im Hafen, aber schalt sich selbst wegen ihrer Torheit. Henri würde nicht kommen, solange er in Akkon gebraucht wurde. Bislang war nicht ein einziger Mann aus seinem Stab zurückgekehrt.
Bald würde es dunkel werden, und Rochus würde sie abholen, um sie in ihr Quartier zu begleiten. Er würde zuerstnoch die Kinder versorgen und sich dann auf den Weg machen, wie an den Abenden zuvor.
Catherine fand die Sorge um ihre Sicherheit zwar nicht ganz unbegründet, beschloss aber dennoch, Rochus ein Stück entgegenzugehen. Vor den Schänken und Tavernen des Hafens herrschte reges Treiben, und Catherine mischte sich vorsichtig unter die Menschen. Plötzlich hörte sie jemanden einem Schankwirt zurufen, er solle noch Wein bringen. Sie kannte die noch junge Stimme, und der harte Akzent des Mannes war unverkennbar. Sie wandte sich in die Richtung, aus der die Worte gekommen waren, und erkannte den Rufenden sofort, auch wenn er ihr halb den Rücken zugewandt hatte. Wie konnte das möglich sein? Bero war doch mit einem Schiff des Königs und einer Nachricht
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