Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Weg, begebt Euch aber nicht unnötig in Gefahr. Es ist ohnedies offensichtlich, dass die Mamelucken vor der Tür stehen. Sobald Ihr sie seht, macht Ihr kehrt und berichtet mir.«
Sie nahmen ein bescheidenes Abendmahl zu sich, dann entließ Henri Bero, damit dieser sich auf den frühmorgendlichen Ritt vorbereiten konnte. Bero wusste, welche Männer er auswählen musste, sodass diese Aufgabe schnell erledigt sein würde. Bevor er einen entsprechenden Befehl erteilte, marschierte er jedoch in den Hafen, um mit dem Kapitän eines Schnellseglers zu sprechen, der ihm bei seiner Ankunft aufgefallen war.
Lange vor Sonnenaufgang verließen sie die Stadt und ritten zunächst nach Südosten. Nach etwa zehn Meilen kamen sie an den Fuß eines Berges, dessen Spitze nicht bewaldet war und gute Weitsicht bot. Bero ritt voran. Als die Sonne das Land in das erste Morgenlicht tauchte, hatten sie den Aussichtspunkt erreicht und überblickten die sich vor ihnen ausbreitende Ebene. Da wurden sie einer Menschenmenge gewärtig, wie sie noch keiner von ihnen je gesehen hatte. Das mameluckische Heer lagerte weniger als drei Meilen entfernt. Eine schier endlose, wogende Masse aus Männern, Tieren, Wagen und den massiven Türmen der Belagerungsgeräte. Aus Osten stießen weitere Truppen zu ihnen. Die Staubwolken reichten bis zum Horizont. Wenn sie am heutigen Tag losmarschierten, würden sie noch am Abend die Stadt erreichen und sie von jeglichem Zugang zum Land abschneiden. Ab sofort würde Akkon nur noch auf dem Seeweg zu erreichen oder zu verlassen sein.
Bero dachte an seinen Plan und war stolz auf sich, dass ihm dieser rechtzeitig eingefallen war. Es sollte nicht sein Schicksal sein, mit der Stadt zu fallen.
Er erteilte den Befehl zur Rückkehr. Sie ritten den Berg hinab und nach Westen, auf die nahe gelegene Küste zu. Als sie die Straße zur Stadt erreichten, erteilte Bero den Befehl, sie zu überqueren und nach einem kurzen Querfeldeinritt den Weg zu einer abgelegenen Bucht einzuschlagen. Die Männer sahen ihn fragend an, doch er ritt wortlos voran, bis der Weg steiler wurde und er von seinem Pferd abstieg.Vorsichtig führte er es am Zügel bergab. Die Männer folgten seinem Beispiel. Die kleine Bucht lag abgeschieden, war von oben kaum einsehbar und hatte keinen anderen Zugang als diesen Pfad, wenn man von der Seeseite absah. Schließlich erreichten sie den steinigen Strand. »Was …«, konnte einer seiner drei Begleiter noch rufen, als ein barfüßiger Mann hinter einem großen Felsblock hervorsprang und seine Klinge in den Hals des Soldaten stieß. Bero und seine Männer waren ungerüstet aufgebrochen, und außer Bero als Anführer führte keiner ein Schwert mit sich. Bero riss die Waffe, die an seinem Sattel hing, aus ihrer Scheide, während seine beiden verbliebenen Begleiter ihre Dolche zückten. Bero sprang vor und holte zu einem beidhändigen Schlag aus, doch bevor die Klinge auf den Unbekannten niederfuhr, drehte er sich um sich selbst und spaltete einem weiteren seiner Männer den Schädel. Der Dritte, ein noch junger Bursche, erstarrte für einen Augenblick, und nur ein kurzes Keuchen entfuhr ihm, als die Klinge des barfüßigen Unbekannten in seine Seite drang.
Auf einem der Felsen, die den natürlichen Hafen umsäumten, stand ein weiterer Mann, der ein Zeichen gab. Wenig später glitt ein schlankes Schiff in die Bucht. Die Habseligkeiten der getöteten Männer sollten Teil der Entlohnung des Kapitäns sein, neben dem Gold, das Bero ihm auf Zypern aushändigen würde. Beros Pferd wurde mit Blut beschmiert in der nächsten Nacht vor die Tore der Stadt geführt.
*
Am fünften April, zwei Tage nachdem Henri seinen Kundschafter ausgesandt hatte, lag das Mameluckenheer vor Akkon. Schon nach zwei Wochen waren die Tore und Stadtmauern gestürmt und die Ritter lieferten sich mit den Angreifern verzweifelte Kämpfe, die den Untergang der letzten Kreuzfahrerfestung allerdings nicht mehr verhindern konnten.
Henri hatte die Aufgabe übernommen, Frauen und Kinder auf die allerletzten Schiffe und Boote zu bringen, die noch im Hafen lagen und die ankommenden Transportschiffe mit Flüchtlingen zu beladen. Doch es waren zu viele, die nicht rechtzeitig die Stadt verlassen konnten. Henri hoffte, dass die Wut der Angreifer in den Tagen nach der Schlacht abklingen und dass der Sultan angesichts der ohnedies gefallenen Stadt Gnade gegenüber den letzten Überlebenden walten lassen würde, wenn man ihn im Zuge einer Unterwerfung und
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