Die Knopfmacherin
nicht erkannte. »Gerade weil er dich schätzt, lässt er dich all diese Arbeiten verrichten.« Da Melisande immer noch wie erstarrt neben der Werkbank stand, kam er versöhnlich auf sie zu. »All das ist ein Ausdruck der Wertschätzung unseres Meisters. Du leistest sehr gute Arbeit, du bist sogar besser als alle Knopfmacherlehrlinge, die ich kenne. Mich eingeschlossen. Vielleicht hat er es gegenüber Marga mal erwähnt.«
»Aber ich will seine Werkstatt doch gar nicht!«, stammelte Melisande erschrocken. »Alles, was ich will, ist Alina wieder bei mir haben und hier mein Wissen erweitern.«
»Hast du dem Meister denn schon gesagt, dass du deine Schwester suchst?«
»Nein, natürlich nicht.«
»Dann solltest du es bald tun, nicht dass er falsche Hoffnungen hegt«, riet Bernhard ihr.
Melisande zuckte verwundert die Achseln. Warum schwang Groll in seinen Worten mit? Passte es ihm nicht, dass sie die Werkstatt nicht übernehmen wollte?
»Wenn ich fort bin, kannst du die Werkstatt leiten. Du arbeitest schon so lange für Meister Ringhand, du hättest es verdient.«
Bernhard starrte verstimmt auf seine Schuhspitzen. »Das ist es nicht.«
»Warum bist du dann so grimmig?«
Nun sah er sie so eindringlich an, dass sie meinte, er könnte bis auf den Grund ihrer Seele blicken. »Ich will nicht, dass du gehst«, sagte er sanft.
»Was sagst du da?«
Bernhard errötete. »Verzeih, es war dumm von mir.«
»Nein, nein, nein, das war es nicht. Ich … ich wundere mich nur …« Melisande stockte.
»Über mich?« Der Geselle trat vor und umfasste ihre Schultern. »Seit ich von deiner Schwester weiß, ist mir klar, dass du nicht für immer hierbleiben wirst. Doch das hat mich nicht davon abgebracht, mehr für dich zu empfinden. Viel mehr.«
Kaum hatte er den Satz gesagt, krachte eine Tür ins Schloss. Melisande und Bernhard wandten sich dem Fenster zu. Mit langen Schritten eilte Marga zur Pforte und stieß sie wutentbrannt auf. Dann wurde es still.
Die Wangen des Mädchens brannten. Auch sie hegte seit ein paar Wochen Gefühle für Bernhard, aber sie hatte nicht angenommen, dass es ihm ebenso erging.
»Ich … ich …«, begann Melisande, doch ihr wollten die passenden Worte einfach nicht einfallen.
Bernhard ließ sie wieder los und trat einen Schritt zurück. »Verzeih mir, ich wollte dich nicht bedrängen. Ich verstehe, wenn du mich nicht willst.«
»Aber ich …«
Plötzlich krachte es.
Zunächst glaubte Melisande, dass Marga zurückgekehrt sei, dann rief Bernhard: »Das kam aus der Küche!«
Sofort liefen sie los.
In der Küche lag Meister Ringhand reglos neben dem Tisch. Der Becher, den er gerade gefüllt hatte, war ihm aus der Hand geglitten, der Inhalt hatte sich über sein Wams und den Boden ergossen.
»Meister Ringhand!«, rief Melisande entsetzt aus und hockte sich neben ihn. Auf ihr sanftes Rütteln reagierte er jedoch nicht. War er tot?
Bernhard beugte sich vor und legte den Kopf auf die Brust des Mannes. »Das Herz schlägt noch. Allerdings nur schwach.«
Sie verspürte ein schmerzhaftes Ziehen. »Was machen wir jetzt?«
»Am besten, wir bringen ihn erst einmal ins Bett«, antwortete Bernhard, während er dem Meister unter die Arme griff. »Weißt du, wo sich das Haus des Medicus befindet?«
Melisande schüttelte den Kopf. In ihrem Verstand herrschte ein so großes Durcheinander, dass ihr die Straße nicht mal eingefallen wäre, wenn sie sie gekannt hätte.
»Gut, dann hilf mir beim Tragen. Wir bringen ihn in seine Kammer, danach hole ich den Medicus.«
Melisande ergriff die Füße des Meisters, Bernhard hob den Oberkörper an, und gemeinsam schleppten sie ihn durch den Gang. Nie hätte Melisande gedacht, dass solch ein kurzer Weg so lang sein konnte!
Der Bettkasten ächzte protestierend, als sie den Meister darauf ablegten. Noch immer kam er nicht zu sich.
»Vielleicht sollten wir ihm die Stirn kühlen.« Vorsichtig berührte Melisande ihn und zog die Hand dann erschrocken zurück. »Er glüht ja!«
»Ich werde jetzt losgehen. Geh und weck die Grete, damit sie dir hilft, und gib derweil gut acht auf den Meister, ich komme gleich wieder.« Damit lief Bernhard aus der Tür.
Melisande hatte keinen blassen Schimmer, was sie tun sollte. Ratlos betrachtete sie den Bewusstlosen. Was er wohl hatte? In ihrem Elternhaus war niemand je so ernsthaft erkrankt, dass er in Ohnmacht gefallen wäre. Selbst als das Fieber Alina heimgesucht hatte, war sie immer bei Bewusstsein geblieben.
Ob er Fieber
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