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Die Knopfmacherin

Die Knopfmacherin

Titel: Die Knopfmacherin
Autoren: Corinna Neuendorf
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»Aber du hast selbst gesagt, dass sie sich die Werkstatt unter den Nagel reißen will. Jetzt hat sie die Gelegenheit dazu.«
    »Du vergisst, dass der Meister noch lebt.«
    »Ja, aber er ist nicht bei sich. Seine Seele blickt ins Totenreich. Er hat mit seiner Frau gesprochen«, hielt Melisande dagegen.
    »Er fantasiert mit offenen Augen, das ist alles.« Bernhard kratzte sich am Kopf. »Wer weiß, wann er wieder klar denken kann. Wir brauchen jemanden, der die Zügel in die Hand nimmt. Immerhin haben wir noch einen großen Auftrag zu erledigen.«
    »Gerade deshalb sollten wir seiner Schwester vorerst nichts sagen«, erklärte Melisande entschlossen und wandte sich ab. »Wir sollten den Auftrag erst zu Ende bringen. Wahrscheinlich wird Marga ohnehin in den nächsten Tagen wieder hier aufkreuzen, und dann bekommt sie es ohnehin mit.«
    Bernhard überlegte noch einen Moment, dann nickte er. »Also gut, wir arbeiten erst einmal weiter und fertigen die Hochzeitsknöpfe für den Tuchmachermeister. Wenn wir sie fertig haben, können wir die Schwester des Meisters immer noch benachrichtigen.«
    Und Alina?, dachte Melisande, wagte aber in diesem Augenblick nicht, danach zu fragen. »Marga wird mich gewiss fortschicken«, sagte sie nur.
    Als sie nach Grete sehen wollten, fanden sie diese neben dem Bett des Meisters. Der Kräutersud war zwar immer noch nicht gekocht, aber sie wechselte ihm beständig das Tuch auf der Stirn.
    »Geht ins Bett«, wies sie Melisande und Bernhard an, als diese an der Tür standen. »Ich werde mich um ihn kümmern.«
    Die beiden zögerten kurz, machten sich dann aber auf den Weg nach oben.
    Während Melisande die Stiege erklomm, schoss ihr plötzlich ein Gedanke durch den Sinn. Was, wenn ich die Brautknöpfe dazu verwende, Alina auszulösen?, überlegte sie. Sofort beschleunigte sie ihren Schritt und stürmte atemlos in ihre Kammer. Mit einem Ruck zog sie den Strohsack beiseite und wollte schon nach dem Kästchen greifen.
    Doch es war fort.
    Erschrocken schnappte Melisande nach Luft. Sie war sich sicher, dass sie es genau an dieser Stelle verwahrt hatte. Seit dem Tag ihrer Ankunft hatten die Knöpfe hier gelegen, und auch wenn Melisande sie gelegentlich zur Hand genommen und betrachtet hatte, war sie sicher, die Schachtel hinterher stets an den gleichen Platz zurückgetan zu haben.
    Auf einmal kratzte es an der Tür. »Melisande? Darf ich reinkommen?«
    Während sie ihre glühenden Wangen mit ihren eiskalten Händen kühlte, vergaß sie beinahe, auf die Frage zu antworten. »Ja, komm rein!«, rief sie.
    Bernhard hatte vor der Tür schon kehrtmachen wollen. »Bitte verzeih, ich wollte nicht …« Ihm verschlug es die Sprache, als er sie so aufgelöst sah. »Was ist los?«
    »Die Knöpfe sind weg!«
    »Welche Knöpfe?«
    Erst jetzt wurde Melisande bewusst, dass sie Bernhard die kostbaren Stücke nie gezeigt hatte. »Meine Knöpfe!«, antwortete sie aufgebracht und rannte in die gegenüberliegende Ecke der Kammer.
    Vielleicht waren sie ja irgendwie hinter die Kisten gerutscht? Fieberhaft räumte sie eine Kiste nach der anderen weg, und jene, die sie nicht hochheben konnte, schob sie mit dem Fuß beiseite. Doch da war nichts. Die Schachtel blieb verschwunden.
    Bernhard trat neben sie und streichelte ihr beruhigend über den Arm. »Melisande, nun sag mir endlich, worum es genau geht.«
    »Die Schachtel mit meinen Brautknöpfen ist fort. Jene Knöpfe, die mein Vater für mein Hochzeitskleid angefertigt hat.«
    »Wer soll sie denn genommen haben?« Bernhard kratzte sich ratlos am Kopf.
    »Sie natürlich!«, platzte Melisande zornig hervor, dann brach sie in Tränen aus. »Sie war hier oben, diese aufgeblasene …«
    »Du meinst Katharina?«
    Melisande antwortete mit einem hilflosen Schluchzen. Konnte es noch schlimmer kommen? Erst wurde der Meister krank und dann stellte sie fest, dass sie bestohlen worden war.
    Da half es auch nichts, dass Bernhard ihr gut zuredete und sie die ganze Zeit über festhielt.

26. Kapitel
    Von der ersten Arbeitsstunde an herrschte eine seltsame Stimmung in der Werkstatt. Das Fehlen des Meisters schien ein Loch in den Raum zu reißen, durch das alle Fröhlichkeit entwich. Den ganzen Tag über arbeiteten Melisande und Bernhard konzentriert an den Hochzeitsknöpfen. Zwischendurch wurde Melisande immer wieder von dem Bedürfnis übermannt, sich an Bernhard zu schmiegen und die Augen zu schließen, doch das versagte sie sich. Sie brauchten jeden Augenblick für die Arbeit.
    Obwohl
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