Die Knopfmacherin
ihr mit einer Schnelligkeit, die niemand von ihr erwartet hatte, den Hut vom Kopf. »Du weißt wohl nicht, dass Frauen hier nur geduldet werden, wenn sie sich bei mir verdingen wollen.«
Der arrogante Tonfall der Frau weckte Melisandes Zorn. Sie straffte die Schultern und hatte auf einmal genügend Mut, um zu entgegnen: »Ich weiß, dass Ihr meine Schwester hier festhaltet. Ich verlange, dass Ihr sie herausgebt.«
Sofort wurde alles still rings um sie herum. Die Huren schnappten nach Luft, und die Freier starrten Melisande an, als sei sie ein Ungeheuer. Auf dem Gesicht der Hurenwirtin war keine Regung zu sehen. Nur ihre Augen funkelten wie schwarze Glasperlen.
»Deine Schwester, soso. Welches dieser Mädchen soll das denn sein?«
»Sie ist nicht in diesem Raum. Aber sie ist hier. Man hat sie Euch vor ein paar Monaten gebracht, nicht wahr? Es war einer der Männer des Bischofs.«
Jetzt regte sich doch etwas in der feisten Miene! Ertappt presste die Hurenwirtin die Lippen zusammen. »Wer hat dir so etwas erzählt?«
»Melisande!«, tönte es auf einmal aus einer der Türen.
Die Hurenwirtin drehte sich verärgert um. »Verschwinde, sonst setzt es die Knute!«
Der kurze Blick, den Melisande auf Alina erhaschte, reichte ihr, um zu wissen, dass Joß Fritz die Wahrheit gesagt hatte.
Augenblicklich stürmte sie vor, doch die Hurenwirtin ergriff sie und zerrte sie zurück.
»Hans, Sigurd!«, brüllte sie. Nur wenige Augenblicke später erschienen die beiden grobschlächtigen Kerle, die vor der Tür herumgelungert hatten. »Werft sie raus!«
»Nein!«, schrie Melisande wütend auf. »Das dahinten ist meine Schwester! Sie ist die Tochter eines ehrbaren Mannes und hat hier nichts zu suchen!«
Die Hurenwirtin warf einen panischen Blick auf die Anwesenden. Noch machte niemand Anstalten, dem Mädchen zu Hilfe zu kommen oder das Hurenhaus zu verlassen.
»Verdammt noch mal, lasst mich los!«, schimpfte Bernhard, der bereits zur Tür gezerrt wurde.
Melisande schlug nach den kräftigen Armen, die sie umfassten, doch ausrichten konnte sie ebenfalls nichts.
»Ich werde mich beim Bischof über Euch beschweren!«, presste sie schließlich hervor. »Ihr habt nicht das Recht, die Tochter eines ehrbaren Handwerkers gefangen zu halten und zu einer Hure zu machen!«
Als nun einige der Freier hellhörig wurden, packte die Wirtin Melisande an der Schulter und schüttelte sie.
»Jetzt hör mir mal gut zu!«, zischte sie. »Ich habe für deine Schwester bezahlt und bin nicht gewillt, sie gehen zu lassen, wenn mir nicht jemand die Summe erstattet. Bring mir in den nächsten Tagen dreißig Taler und du kannst sie zurückhaben. Ansonsten bleibt sie hier, bis sie den Kaufpreis abgearbeitet hat.«
Melisande wollte erneut protestieren, da setzte die Hurenwirtin hinzu: »Und jetzt verschwinde, bevor ich es mir anders überlege. Wenn du hier noch einmal ohne das Geld einen Fuß über die Schwelle setzt, werden meine Knechte dich und deinen kleinen Freund windelweich prügeln.«
Damit stieß die Vettel sie von sich. Das Mädchen taumelte gegen einen der Tische und warf dabei einen Bierkrug um. Mit einem verärgerten Knurren sprang der Gast auf, enthielt sich aber einer Äußerung. Melisande sah ihn beinahe flehend an, wusste aber, dass sie von niemandem hier Hilfe erwarten durfte.
»Denk an den Preis!«, rief ihr die Hurenwirtin noch zu, die sich jetzt anscheinend wieder sicher fühlte.
Im nächsten Augenblick packte der Handlanger Melisande wieder an der Schulter. Sein Gesicht war mitleidslos, als er sie unsanft zur Tür schob, wo sich Bernhard gerade von der Straße erhob. Mit vor der Brust verschränkten Armen stellten sich die beiden Männer vor den Eingang und musterten sie drohend.
»Lass uns von hier verschwinden«, sagte Bernhard, während er sich den Schmutz vom Mantel klopfte.
Melisande zögerte. Sie hatte ihre Schwester gesehen! Für einen Augenblick war Alina nur wenige Armlängen von ihr entfernt gewesen.
Die Sehnsucht nach ihrer Schwester schmerzte zutiefst, und obwohl die beiden Schläger ihr gewiss eine Tracht Prügel verpassen würden, war sie versucht, erneut hineinzulaufen.
Doch Bernhards kalte Hand zog sie einfach mit sich.
Alina zuckte zusammen, als die Tür ins Schloss fiel. Zitternd kauerte sie sich in eine Ecke der Küche und versuchte gegen das Schluchzen anzukämpfen, das in ihr aufstieg. Dass Melisande tatsächlich aufgetaucht war, wie es der Fremde versprochen hatte, war nur ein schwacher Trost. Obwohl
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