Die Knopfmacherin
die Wirtin leise auf ihre Schwester eingeredet hatte, hatte sie mitbekommen, welchen Preis die Alte gefordert hatte. Dreißig Taler würde Melisande nie und nimmer aufbringen können!
Als sich schwere Schritte der Küche näherten, erhob sie sich rasch wieder. Es war nie gut, der Hurenwirtin zusammengekauert zu begegnen, denn das betrachtete sie als zusätzlichen Reiz, auf ihr Opfer einzuschlagen.
Voller Entsetzen verfolgte Alina, wie die Wirtin nach der Knute neben der Tür griff. Überzeugt davon, dass es gleich Schläge hageln würde, krümmte sie sich zusammen.
»Du hast also noch eine Schwester«, begann die alte Vettel, während sie die Knute in der Hand wog. »Das hat mir der Mann, der dich gebracht hat, gar nicht erzählt.«
Erwartete sie darauf etwa eine Antwort? Misstrauisch blickte Alina zu der Frau auf. Die legte ihr nun die Knute unters Kinn.
»Ich bin sicher, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis du dein Blut bekommst. Vielleicht sollte ich dich schon vorher versteigern?«
Alina warf der Wirtin einen finsteren Blick zu. »Aber Ihr habt gesagt …« Ein kurzer, schmerzhafter Schlag mit der Knute brachte sie zum Schweigen.
»Ich habe gesagt, dass mir deine Schwester innerhalb der nächsten Tage dreißig Taler für dich bringen soll. Tut sie das nicht, werde ich dich versteigern.«
Alinas Protest erstickte die Hurenwirtin im Keim mit einem einzigen Blick. Verzweifelt rang das Mädchen um Fassung, doch es unterlag. Zufrieden beobachtete die Hurenwirtin, wie sie in Tränen ausbrach.
»Und jetzt geh an die Arbeit«, schnarrte sie dann, »sonst kriegst du die Knute noch mal zu spüren.«
Erst als sie das Hurenhaus ein Stück weit hinter sich gelassen hatten, blieben sie stehen. Melisande hatte nicht gewollt, dass die Hurenwirtin ihre Tränen bemerkte, aber nun ließ sie ihnen freien Lauf.
Bernhard zog sie in die Arme. »Wir werden einen Weg finden, um Alina freizukaufen. Lass uns zu Hause in Ruhe über alles nachdenken.«
Daraufhin schluchzte sie nur noch heftiger, und Bernhard hatte keine andere Wahl, als sie in eine ruhigere Ecke zu ziehen, damit niemand davon geweckt wurde.
Als sie sich ein wenig beruhigt hatte, wischte er ihr mit dem Hemdsärmel übers Gesicht.
»Komm, wir haben uns ein wenig Ruhe verdient. Morgen sieht die Welt schon ganz anders aus.«
Nachdem sie den nun menschenleeren Domplatz überquert hatten, huschten sie rasch um die Ecke. Bevor sie durchs Tor treten konnten, erstarrte Melisande.
»Im Haus brennt Licht!«
Bernhard runzelte verwundert die Stirn. Wer sollte um diese Uhrzeit noch wach sein?
»Vielleicht hat der Meister bemerkt, dass wir uns aus dem Haus geschlichen haben«, flüsterte das Mädchen bang.
Noch bevor sie die Werkstatttür erreicht hatten, tönten ihnen laute Stimmen entgegen. Marga Ringhand schimpfte beinahe hysterisch auf ihren Bruder ein. Den Inhalt ihrer Worte verstand Melisande allerdings nicht.
Als sie durch das Fenster spähen wollte, packte Bernhard sie am Arm und zog sie mit sich.
»Das würde ich an deiner Stelle nicht tun.«
»Ich wollte doch nur …«, wandte Melisande ein.
»Lauschen, was die beiden zu bereden haben«, vervollständigte Bernhard den Satz. »Lass dir eines gesagt sein: Der Meister schätzt so etwas nicht.«
»Was hat Marga denn um diese Zeit noch hier zu suchen?«, fragte sie, nachdem sie die Werkstatt betreten hatten.
Bernhard zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich nicht. Fest steht nur, dass sie es auf die Werkstatt abgesehen hat. Aber das habe ich dir ja schon erzählt.«
»Du hast mir bloß erzählt, dass Katharina dich heiraten will.«
»Das ist ein und dasselbe. Wenn ich bleibe, braucht sie natürlich keinen neuen Gesellen. Mit dir sieht das dagegen ganz anders aus.«
Melisande fiel wieder ein, was Grete am Morgen zu ihr gesagt hatte. »Was meinst du damit?«, fragte sie bang.
Bernhard lächelte schief. »Merkst du denn nicht, wie gut dich der Meister behandelt? Fast wie seine eigene Tochter.«
Das Mädchen wurde rot und prallte beim Zurückweichen gegen die Werkbank. Das Locheisen rollte an den Rand der Tischplatte und fiel zu Boden. »Wie kommt ihr nur alle darauf?«
»Wer alle?« Bernhard zog die Augenbrauen hoch.
»Grete hat das auch schon mal gesagt. Dabei behandelt der Meister mich nicht besser als dich«, presste sie hervor. »Außerdem muss ich beinahe ebenso schwierige Arbeiten übernehmen wie du!«
Bernhard zog die Augenbrauen hoch, als könnte er nicht glauben, dass sie den Grund dafür
Weitere Kostenlose Bücher