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Die Knopfmacherin

Die Knopfmacherin

Titel: Die Knopfmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Neuendorf
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dessen war er sich sicher.
    »Geleitschutz können sich zwei kleine Gesellen nicht leisten«, hielt Jensen dagegen. »Außerdem dachten wir, dass wir vor ihnen sicher sind, wenn wir wenig befahrene Wege benutzen.«
    »Gerade die wenig befahrenen Wege ziehen Räuber an«, setzte Adam hinzu. »Besonders zu Nachtzeiten.«
    »Bitte legt auch das Wams ab, damit ich erkennen kann, wo die Wunde genau ist«, sagte Marie, als ihre Tochter mit dem Wasser zurückkehrte.
    Verstohlen beobachtete Melisande, wie sich der Mann seiner Kleider entledigte, bis er schließlich auch das Hemd ablegte, das von seinem Blut beinahe vollkommen rot gefärbt war. Eine tiefe Schnittwunde klaffte auf der Brust. Das Blut hatte einen roten Drachen auf seine Haut gemalt.
    »Soll ich auch noch ein paar Tücher holen, Mutter?«, fragte sie, um sich von dem Anblick abzulenken.
    »Ja, nimm etwas von dem Verbandsleinen, das wir in der Truhe aufbewahren. Und bring mir ein Messer, damit ich die Wunde ausbrennen kann.«
    Als sich Melisande umwandte, kreuzte sich ihr Blick mit dem von Jensen. Er wirkte recht sympathisch mit seinen hellen Haaren und den blauen Augen.
    Unverwandt zwinkerte er Melisande zu und sagte dann zu ihrem Vater: »Haltet mich nicht für unverschämt, doch ich komme nicht umhin zu bemerken, dass Ihr schöne Töchter habt. Die Burschen müssen Euch die Tür einrennen.«
    Melisande errötete und wandte sich um. Der Blick des Fremden verwirrte sie. Noch nie zuvor hatte ein Mann in ihrer Gegenwart gesagt, dass sie schön sei.
    Ehe ihre Eltern ihre Verwirrung bemerkten, verließ sie die Küche, hielt im Gang jedoch inne und lauschte.
    »Gottlob tun sie das noch nicht«, vernahm sie die Stimme ihres Vaters. »Die jüngere, Alina, ist noch nicht im rechten Alter, und Melisande wird eines Tages mein Geschäft übernehmen. Gott hat es nicht gefügt, dass ich einen Sohn erhalte, daher muss ich meiner Tochter mein Handwerk beibringen.«
    »Das ist recht ungewöhnlich.«
    »Vielleicht, aber ich halte es für richtig. Meine Melisande ist ebenso geschickt wie jeder Knopfmachergeselle in der Gegend, außerdem sind zarte Frauenhände viel eher für die feinen Arbeiten geeignet. Wenn sie irgendwann dann noch einen Gemahl wählt, der sie bei der Arbeit unterstützt, will ich vollauf zufrieden sein.«
    Da stöhnte der Verletzte erneut auf. Als Melisande durch den Türspalt spähte, strömte gerade ein dunkler Blutschwall über die Hände ihrer Mutter.
    »Melisande, wo bleiben die Tücher?«
    Wie von einem Peitschenhieb getroffen wirbelte das Mädchen herum und rannte zur Wäschetruhe. Mit einem Leinentuch, das ihre Mutter ausgemustert hatte, kehrte sie wenig später zurück.
    Der Verletzte lag inzwischen auf dem Boden. Neben seinem Körper hatte sich eine kleine Blutlache gebildet.
    Das Mädchen blieb erschrocken stehen. Beim Anblick des hervorsprudelnden Blutes zog sich ihr der Magen zusammen.
    »Melisande, geh jetzt besser zu deiner Schwester«, sagte Adam, als er bemerkte, wie bleich sie plötzlich geworden war. Er nahm ihr die Tücher aus der Hand und reichte sie seiner Frau.
    Diesmal war Melisande froh darüber, dass sie gehen durfte. Selbst Jensens neuerlicher Blick konnte sie nicht zurückhalten. Statt in die Kammer, die sie sich mit Alina teilte, schlich sie allerdings in die Schlafkammer der Eltern. Ich werde meine Brautknöpfe in Verwahrung nehmen, dachte sie. Für alle Fälle. Immerhin könnten die beiden auch Diebe sein. Wer weiß, wo sie in der Nacht herumschleichen.
    Sie hob den Deckel der Eichentruhe, in der unter anderem ihre Aussteuer aufbewahrt wurde, an und zog unter dem sorgfältig zusammengefalteten Weißzeug eine kleine, geschnitzte Schatulle hervor. Liebevoll strich sie über den Deckel, bevor sie das Kästchen unter dem Gewand verbarg und in ihre Kammer huschte.
    Alina hockte auf dem Fensterbrett und bürstete ihr Haar. Das Lied, das sie leise vor sich hin summte, erinnerte Melisande an ihre Kinderzeit, als die Mutter noch an ihre Betten gekommen war und ihnen etwas vorgesungen hatte. Seit sich bei ihnen beiden das monatliche Blut eingestellt hatte, tat sie das nicht mehr.
    »Was ist mit den Fremden? Hast du mitbekommen, was ihnen zugestoßen ist?«, fragte Alina aufgeregt, nachdem ihre Schwester die Tür hinter sich geschlossen hatte. Die Bürste legte sie aus der Hand und wandte sich Melisande direkt zu, als erwarte sie ein Possenstück.
    »Der eine hat einen langen Schnitt über der Brust und verliert noch immer Blut. Ein

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