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Die Knopfmacherin

Die Knopfmacherin

Titel: Die Knopfmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Neuendorf
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ihn ausgerechnet sein Beichtvater verraten würde?
    In der Mitte des Hofes wartete eine Kutsche auf ihn. Ein schwerer, eisenbeschlagener Wagen, der eine unbequeme Fahrt versprach.
    Immerhin ist es kein Gefangenenkarren, dachte Rapp, als einer der Wächter die Tür des Kutschenschlages öffnete. Das trübe Tageslicht fiel auf schwarze Stiefel und ließ einen goldenen Ring in den dunklen Tiefen der Kutsche aufblitzen.
    Als die Wächter ihm hineinhalfen, erkannte er, dass es sich bei den beiden Männern, die ihn begleiteten, um den Grafen von Lichtenfels und einen Unbekannten handelte, der offenbar der Berater des Adligen war. Sein dunkles Haar war von breiten grauen Strähnen durchzogen, trotzdem war er noch lange kein Greis. Im Gegenteil, er hatte das harte, zerfurchte Gesicht eines Kämpfers, den unzählige Schlachten gestählt hatten.
    Der Gefangene wurde auf die Sitzbank gegenüber den beiden gedrückt, die ihn abschätzig musterten.
    »Das ist also unser Mann?«, wandte sich der Fremde an den Grafen, als die Tür des Kutschenschlages zufiel.
    »Ja, das ist er. Dadurch, dass er Fritz persönlich kennt, ist er vielleicht sogar noch wertvoller als unsere eigenen Augen, denn die könnte der Aufrührer täuschen.«
    Im nächsten Augenblick ruckte die Kutsche an. Hufschlag polterte über das Schlosspflaster, und der Kutschenschlag wurde hin und her geworfen. Während er Halt suchte, biss Lukas Rapp die Zähne zusammen. Das Ruckeln verstärkte den Schmerz in seinen Knochen und Muskeln derart, dass er sich wünschte, auf der Stelle ohnmächtig zu werden, damit er den Rest der Fahrt nicht mitbekam.
    Erst als sie aufs freie Land hinausfuhren, verlief die Fahrt ein wenig ruhiger. Da seine Begleiter sich nicht weiter unterhielten, wahrscheinlich, weil sie nicht wollten, dass er etwas mitbekam, das nicht für seine Ohren bestimmt war, sah Lukas zur Seite. Durch das schmale Fensterloch blickte er auf weite Felder hinaus und bemerkte schließlich ein paar Bauern, die einen Acker pflügten. Angesichts des elenden Aussehens der Männer kam ihm wieder in den Sinn, was Joß Fritz gefordert hatte. Bevor das Mitleid in ihm überhandnehmen konnte, rief er sich zur Ordnung. Ich bin ein Landsknecht, und als solcher hat mich nur mein eigenes Leben zu kümmern. Hätte ich mich von diesem verdammten Hans bloß nicht überreden lassen, wäre ich noch immer ein freier Mann! Was nützt es, für andere zu streiten, wenn man selbst dabei draufgeht?
    Er wandte den Blick von den Äckern ab und schloss die Augen. Ich werde nie wieder für jemand anderen streiten als für mich. Fahr zur Hölle, Joß Fritz!
    Es klopfte. Zunächst glaubte Melisande, es nur zu träumen, doch als das Geräusch wiederkehrte und deutlich lauter wurde, schreckte sie aus dem Schlaf hoch.
    Beim Aufsetzen bemerkte sie, dass sie auf Alinas Bettkasten lag. Gähnend rieb sie sich den Schlaf aus den Augen, da vernahm sie das Klopfen erneut. Diesmal klang es noch nachdringlicher.
    Wer konnte das sein?
    Nachdem sich Melisande die Haare glattgestrichen hatte, ging sie zur Tür. Ihre Knochen fühlten sich bleischwer an. Am liebsten wäre sie wieder ins Bett zurückgekrochen, denn im Schlaf hatte sie weder Trauer noch Leid gespürt. Doch der Besucher klang nicht so, als wollte er sie in Ruhe lassen.
    Vielleicht ist es der Stadtvogt?, überlegte das Mädchen. Womöglich hat er es sich überlegt und will nach Alina suchen?
    Als sie den Türflügel aufzog, blickte sie in das Gesicht des Zunftmeisters. Fassbender war mehr denn je gekleidet, als wollte er auf Brautschau gehen.
    »Sei gegrüßt, mein Kind!«, sagte er.
    Es klang eine Spur zu fröhlich, wie Melisande fand. Ich hätte damit rechnen müssen, dass er hier auftaucht, schalt sie sich. Immerhin ging der Tod eines der Mitglieder die gesamte Zunft an.
    »Seid gegrüßt, Meister Fassbender«, entgegnete sie. »Was führt Euch zu mir?«
    »Ich habe von dem Unglück Eurer Eltern gehört«, antwortete er, während er sie beinahe schon schamlos musterte. »Daher wollte ich Euch mein Mitgefühl aussprechen.«
    »Das ist sehr freundlich von Euch, Zunftmeister.«
    »Außerdem wollte ich mit Euch über die Zukunft der Werkstatt sprechen.«
    Melisande sah ihn fassungslos an. Ihre Eltern waren gerade mal einen Tag lang tot, und da wollte dieser Widerling schon wissen, was mit der Werkstatt geschehen sollte. Wollte er sie sich etwa unter den Nagel reißen?
    Fassbender musterte Melisande abwartend. Nach einer Weile schnaufte er ungeduldig.

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