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Die Knopfmacherin

Die Knopfmacherin

Titel: Die Knopfmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Neuendorf
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wolle.
    Das Brennen in ihrer Brust wurde stärker, wenn sie daran dachte, was der Stadtvogt jetzt über ihre Familie verbreiten würde. Vor allem über ihre Schwester! Die keusche, reine, herzensgute Alina, die zwar immer von einem Ehemann geträumt hatte, aber sicher nie auf die Idee gekommen wäre, mit einem Aufständischen fortzugehen.
    Der Hass auf den Stadtvogt schnürte Melisande beinahe die Luft ab. Wie konnte er nur so etwas denken und darüber die Pflicht vernachlässigen, den Entführern nachzujagen!
    Wieder hatte sie den Schrei in den Ohren, den Alina ausgestoßen hatte, als die Männer sie auf das Pferd gezerrt hatten. Nein, sie war ganz sicher mit niemandem fortgegangen. Und ihr Vater hatte sich auch nicht geirrt, als er von den Männern des Bischofs gesprochen hatte.
    Jetzt stiegen Melisande doch wieder die Tränen in die Augen. Allerdings war es weniger Trauer, sondern vielmehr Hilflosigkeit, die sie dazu brachte. Was kann ich tun, um Alina zu finden?, fragte sie sich hilflos. Was nur?
    Wie ein Kätzchen rollte sie sich auf dem Strohsack ihrer Schwester zusammen. Noch eine Weile kreisten die Gedanken durch ihren Verstand, dann fielen ihr die Augen zu und gnädiges Vergessen umhüllte sie.
    Rasselnd öffnete sich die Kerkertür. Ein schwacher Lichtschein kroch durch den engen Raum, dessen Boden mit schmutzigem Stroh bedeckt war, und offenbarte zwei Gestalten vor dem Türgeviert. Im Gegensatz zu den anderen Kerkerräumen hatte diese Zelle nur einen einzigen Insassen.
    Langsam wandte Lux Rapp den Kopf zur Seite. Die Stunden, die er auf der Streckbank verbracht hatte, ließen seinen Körper wie eine einzige große Wunde erscheinen. Das Blut an den Handgelenken war zwar getrocknet, doch die Wunden schwollen immer mehr an. Seine Arme schmerzten selbst bei der kleinsten Bewegung, und sein Genick war so steif, als hätte er mehr als eine Nacht in unbequemer Lage verbracht.
    »Auf die Beine, Rapp!«, forderte der Mann, der zwischen den beiden Wachsoldaten stand.
    Ein schmerzliches Lachen trat auf das Gesicht des Gefangenen. Wie denn? Ihr habt mir die Beine fast gebrochen, hätte er ihnen am liebsten entgegengeschleudert.
    »Wenn Ihr mir ein wenig helfen könntet«, entgegnete er, indem er seinen Groll niederrang, und deutete auf seine Beine. »Die Streckbank hat mir dermaßen zugesetzt, dass ich mich wohl für eine ganze Woche nicht mehr selbst erheben kann.«
    Der Mann verzog das Gesicht, dann bedeutete er seinen Begleitern, dem Gefangenen zu Hilfe zu kommen.
    Die Soldaten fassten ihm unter die Arme und zogen ihn unsanft in die Höhe. Der Schmerz in seinen Gliedmaßen verstärkte sich jäh, so dass Rapp unwillkürlich aufstöhnte.
    »Der Bischof will mit dir sprechen. Du wirst umgehend nach Speyer gebracht.«
    Rapp lächelte grimmig. War der Bischof hier? Fritz hatte doch gemeint, dass er auf Reisen gegangen sei. War der Kirchenmann etwa seinetwegen umgekehrt?
    Willenlos ließ sich Rapp erst von den Wächtern losmachen und dann die Hände mit einem Seil fesseln. Beim Gehen mussten ihn die beiden stützen, denn seine Beine wollten ihn noch immer nicht so recht tragen.
    Durch einen langen Gang, der erfüllt war von dem Stöhnen und Wimmern der anderen Gefangenen, führten sie ihn nach draußen. Erst jetzt wurde Rapp bewusst, dass er sich im Schloss von Bruchsal befand. In den Butzenscheiben spiegelten sich die Wolken, die gemächlich über den Landstrich hinwegzogen. Das Krächzen der Krähen auf der Schlossmauer weckte in ihm die Erinnerung an das letzte Schlachtfeld, auf dem er gekämpft hatte.
    Drei Jahre zuvor hatte sich der Schwabenkrieg in Dornach entschieden. Lukas Rapp hatte auf der Seite des Schwabenbundes gegen die schweizerischen Eidgenossen gekämpft und war dabei gewesen, als der Anführer, Graf von Fürstenberg, fiel und ihm tausende Männer in den Tod folgten. Die Schreie der Sterbenden, der Gestank des Blutes und die Scham vor der eigenen Flucht, die ihm schließlich das Leben gerettet hatte, hatten ihn in den Wald getrieben, wo er wochenlang hauste. Kaum eine Nacht hatte er schlafen können, und als er schließlich ins Leben zurückkehrte, war er wild entschlossen, sich keinem Fürsten mehr unterzuordnen. Als ihn die Ideen des Bundschuhs schließlich erreichten, war es, als hätte ein Lichtstrahl seine Seele getroffen. Eine Welt, in der die Obrigkeit die Menschen nicht mehr knechten konnte. Eine Welt, in der kein Fürst aus Gier seine Bauern in den Tod schickte.
    Hatte er wissen können, dass

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